Deutsch-lateinische Übersetzungen, Repetitorien, Stilübungen… wie auch immer man sie nennt, der Kern bleibt gleich: Sie sind schwer, man muss viel üben und die Auswahl an Materialien zum Selbststudium ist beschränkt.

In dieser Serie stelle ich Ihnen nach und nach alles zur Verfügung, was mir im Rahmen des Studiums und darüber hinaus in Bezug auf die deutsch-lateinische Übersetzung weitergeholfen hat.

Heute übersetzen wir zusammen zwei Texte zum Thema Gott (im christlichen Sinne).

Diese Texte habe ich diesem Schulbuch aus den 60er Jahren entnommen und leicht verändert aus dem Italienischen übersetzt:

Cupaiuolo, Fabio (1966): Vita operosa. Firenze: Le Monnier.

Vor der Übersetzung

Die heutigen Texte, von denen Sie hier eine Druckvorlage mit kommentiertem Lösungsblatt kostenlos herunterladen können, bieten sich zur Anwendung von einigen Grammatikphänomenen an, die Sie bei Bedarf vor der Übersetzung wiederholen sollten:

  • Relativpronomina qui, quae, quod (RH §57)
  • Demonstrativpronomina hic, haec, hoc (RH §56)
  • unregelmäßige Komparative und Superlative, v. a. von magnus und bonus (RH §48)

Die Übersetzung

Übersetzen Sie nun die Texte Gott und Was ist größer als Gott? ins Lateinische.

1) Gott
Gott sieht man nicht, sondern man erkennt ihn an seinen Werken. Gott ist nämlich der Urheber aller Dinge, nicht nur der himmlischen, deren Ordnung und Schönheit bewundernswert sind, sondern auch der menschlichen. Er füllte die Welt mit allen Gütern an. Wie viele, wie große und welch außerordentliche Dinge teilte Gott aus Gefälligkeit den Menschen zu! Doch hat er uns nichts Vortrefflicheres gegeben als die Tugend und die Weisheit. Wem also schulden wir einen größeren Dank als Gott? Es gibt nur einen Gott und die Welt ist das Werk eines einzigen Gottes, nicht mehrerer. Er ist, war und wird immer sein, denn er ist ewig. Auf Gott setzt jeder gute Mensch seine ganze Hoffnung.

Hilfen:
Übersetzen als: Wie viele, wie große und welch außerordentliche Wohltaten teilte Gott den Menschen zu!

2) Was ist größer als Gott?
Was ist größer als Gott? Er schuf diesen unermesslichen Himmel, diese Berge, diese Meere, die du siehst, alle Tiere, die auf dem Land sind oder in der Luft fliegen. Selbst dich schuf er und er gab dir die Vernunft, die beste Sache von allen. Alle Völker verehren Gott. Einige beten für Ruhm, andere für Reichtümer, sehr wenige für die Tugend. Aber worum bittet ein anständiger und weiser Mensch? Weder um fruchtbare Äcker noch um großen Reichtum, sondern vor allem darum, dass er einen gesunden Geist in einem gesunden Körper habe. Diese ist nämlich die vollendete Gabe; niemand wird jemals eine größere finden.

Hilfen:
Schließen Sie den Satz relativisch an.

Nach der Übersetzung

Hier folgen ein paar Tipps darüber, was Sie sowohl im Selbststudium als auch als Nachbereitung in Universitätskursen machen können, um das Lernen zu optimieren.

Schritt 1: Vokabeln

Welche Vokabeln haben Sie für die Übersetzung nachgeschlagen? Es ist immer gut, nach jeder Übersetzung den nachgeschlagenen Wortschatz noch einmal aufzuschreiben, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. auch im Hinblick auf eine Klausur, gezielt wiederholen zu können.

Denken Sie dabei immer daran, Genitiv und Genus von Substantiven, Stammformen und Valenz von Verben, Deklinationsklasse von Adjektiven und ähnliche morphosyntaktische Informationen zu berücksichtigen.

Auch Phraseologismen spielen in der deutsch-lateinischen Übersetzung eine wesentliche Rolle und sollten mitgelernt werden.

Bei mir war das immer so, dass ich ein paar verfluchte Wörter hatte, die ich einfach bei jeder einzelnen Übersetzungsübung nachschlagen musste. Ich wusste ganz genau, dass ich sie zum zigsten Mal nachschlug, und doch an die lateinische Vokabel konnte ich mich nicht erinnern. Ärgerlich! Die habe ich mir dann auf Zettel aufgeschrieben und zusätzlich an Spiegel, Rechner, Küchenwandregale usw. gehängt, um überall in der Wohnung daran erinnert zu werden.

Schritt 2: Grammatik

Gab es Grammatikphänomene, die Sie nachschlagen mussten? Diese bedürfen offenbar noch Ihrer Aufmerksamkeit. Schauen Sie aber andererseits auch auf Ihre Fortschritte: Gab es Phänomene, die Sie in der Vergangenheit nachschlagen mussten, und jetzt ohne Hilfe gut liefen? Sie werden immer wieder feststellen, dass Ihre Mühe nicht umsonst ist und sich die Lernerei wirklich lohnt.

Schritt 3: Selbstkorrektur

Nun geht es darum, die eigene Übersetzung zu überprüfen. Eine Selbstkorrektur ist immer effizienter, wenn sie erst erfolgt, nachdem man sich vom eigenen Text etwas distanziert hat, also nach ein paar Tagen. Trotzdem ist es wegen der Klausur auch nötig, Techniken zu lernen, die einem eine Korrektur direkt im Anschluss an die Übersetzung vorzunehmen.

Eine Methode, die viele anwenden, ist die Rückübersetzung. Indem Sie Ihren lateinischen Text zurück ins Deutsche übersetzen, könnte Ihnen der eine oder andere Fehler leichter auffallen, als wenn Sie Ihren lateinischen Text nur läsen.

Ein anderer Weg zur erfolgreichen Selbstkorrektur ist das, was ich die Methode des vielschichtigen Lesens nenne. Sie lesen mehrfach Ihren lateinischen Text durch, jedoch nicht als Fließtext, sondern indem Sie sich selektiv jeweils auf einen bestimmten Aspekt, eine Textschicht also, konzentrieren:

  • Wort-für-Wort-Lektüre: Wurden alle Wörter übersetzt?
  • Wort-für-Wort-Lektüre von hinten: Sind die Wortformen orthographisch und morphologisch korrekt? Ich habe z. B. regelmäßig das i in faciebam u. ä. vergessen. Das hat mich gerettet.
  • Grammatikschicht Deklination: Stimmen die Kasus? Die Numeri der deklinierbaren Wörter? Die Genera?
  • Grammatikschicht Konjugation 1: Person und Numerus?
  • Grammatikschicht Konjugation 2: Stimmen die Modi? Wurden bei den Subjunktionen auch die geforderten Modi gewählt?
  • Grammatikschicht Konjugation 3: Stimmen die Tempora, etwa Perfekt vs. Imperfekt? Die Zeitverhältnisse? Die Consecutio temporum?
  • Grammatikschicht Konjugation 4: Sind die Passivkonstruktionen richtig? Oder hat man vielleicht einen Ablativus absolutus mit dem PPP von einem intransitiven Verb oder ähnlichen Mist gebaut? (I plead guilty: Die advento hat meine Dozentin damals nicht wirklich begeistert.)

(Nachtrag: Dazu existiert mittlerweile ein eigener Beitrag.)

Schritt 4: Fremdkorrektur

Wenn Sie das noch nicht gemacht haben, laden Sie gerne diese Datei kostenlos herunter. Da finden Sie ein ausführlich kommentiertes Lösungsblatt mit Verweisen auf Rubenbauer/Hofmann und Übersetzungsalternativen.

In dieser Phrase geht es darum, dass Sie die Fremdkorrektur nachvollziehen, z. B. hier das kommentierte Lösungsblatt aufmerksam lesen und mit der eigenen Übersetzung vergleichen oder die Korrekturen von Ihren Dozenten an der Uni einarbeiten.

Dabei sollten Sie sich alle offenen Fragen aufschreiben, um Sie später durch Nachschlagen oder Nachfragen klären zu können.

Nach der Besprechung eines Textes mit Ihrem Dozenten denken Sie daran, die in Schritt 1 erstellten Vokabellisten noch einmal zu überprüfen. Vielleicht muss das eine oder andere nachgebessert werden.

Schritt 5: Überblick

Schauen Sie schließlich noch einmal zurück. Wie ist es gelaufen? Was war schon richtig? Wo liegen Ihre Stärken? Und in welchen Bereichen waren wiederum die Fehler? Worauf sollten Sie sich als nächstes konzentrieren: Lexik, bestimmte Grammatikbereiche oder gar schon Stilistik?

Und hier meine Lösung

De deo
Deum non vides, sed ex operibus eius agnoscis. Nam deus opifex omnium rerum est, non solum caelestium, quarum ordo pulchritudoque mirabilis est, sed etiam humanarum. Orbem terrarum omnibus bonis complevit. Quot, quanta, quam incredibilia beneficia Deus hominibus distribuit! Sed nihil praestabilioris nobis dedit virtute atque sapientia. Cui igitur maiorem gratiam debemus quam deo? Deus unus est et orbis terrarum opus unius Dei, non complurium. Ille est, fuit, semper erit; est enim aeternus. In deo quisque homo bonus omnem spem ponit.

Hinweise zur Übersetzung:

  • Das unpersönliche man kann mit der 2. P. Sg. übersetzt werden.
  • Ihn kann man weglassen, weil das Akkusativobjekt nur aus dem Satz davor wiederholt. Eum wäre nicht falsch, aber redundant.
  • An seinen Werken = ex operibus eius, nicht suis! Suus ist reflexiv und bezieht sich somit immer auf das Subjekt.
  • Nam steht an Satzanfang, enim an zweiter Stelle im Satz.
  • Auctor ist ‘Urheber’ im Sinne von ‘Anstifter’.
  • ‘Welt’ = orbis terrarum; ‘Weltall’ = mundus.
  • Quam deo, kein Ablativus comparationis in anderen Kasus als Nom./Akk. möglich.
  • Unus ’nur einer‘, ‚ein einziger‘.
  • Ponere in + Ablativ.

Quid deo maius esse
Quid est maius deo? Hoc caelum immensum confecit, hos montes, haec maria, quae vides, omnes bestias, quae in terra sunt aut in aere volant. Te ipsum confecit, tibi rationem donavit, rem omnium optimam. Nullus populus est, qui deum non colat. Nonnulli gloriam orant, alii divitias, perpauci virtutem. Sed quid petit homo honestus atque sapiens? Neque agros fertiles neque magnas divitias, sed praesertim ut sibi mens sana in corpore sano sit. Quod enim est donum perfectum, quo nemo maius umquam inveniet.

Hinweise zur Übersetzung:

  • Titel: (1) de + Abl., (2) AcI, (3) indirekter Fragesatz. Hier AcI, weil die Frage rhetorisch ist.
  • Schaffen kann nicht mit creare übersetzt werden.
  • Tieranimal
  • Gerne wird alle vom Römer ex negativo ausgedrückt, z. B.: Omnes sciunt. = (schöner) Nemo est, qui nesciat. Man beachte dann den Konjunktiv im Relativsatz.
  • Divitiae, arum f. Pl.
  • Numquam und nullus werden bei vorausgehender Negation zu umquam und ullus.

Laden Sie hier das ausführlich kommentierte Lösungsblatt kostenlos herunter.


Wie ist es gelaufen? Wenn Sie mit meinen Materialien üben, lassen Sie es mir gerne wissen!

Deutsch-lateinische Übersetzungen versehe ich mit dem Hashtag convertamus.

Ich wünsche Ihnen einen schönen ersten Advent! 🕯




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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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