Wenn ich es mir ganz frei aussuchen dürfte, würde ich niemals früh aufstehen. Ich liebe es abends, ja nachts zu arbeiten, wenn niemand mich sucht, die Nachbarn keine Musik hören und das Telefon in Ruhemodus zur ersehnten Stille gezwungen wird.

Doch: Es geht nicht.

Ich befinde mich in einer Phase des Lebens, in der ich es mir nicht frei aussuchen kann. Zwar arbeite ich selbstständig als Freie Rednerin und kann mir die Arbeitszeiten ziemlich frei einteilen; doch habe ich auch andere wichtige Verpflichtungen als Elternteil eines schulpflichtigen Kindes, die stark zeit- und ortsgebunden sind.

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Auch als Nachteule muss ich mich, wie doch so viele, diesen Anforderungen anpassen. Es führt kein Weg daran vorbei: Ich muss früh aufstehen. Geht es Ihnen auch so?

Jetzt ist die Frage: Was heißt eigentlich früh? Wie früh muss ich aufstehen, damit es mir gut geht?

Früher habe ich oft gedacht: Ich bin eine Nachteule, ergo wird es mir besser gehen, wenn ich möglichst spät aufstehe. Doch was passiert dann?

Wenn ich erst um 7 Uhr aufwache und meine Tochter um 7:55 Uhr in der Schule sein muss, muss ich sofort einsatzbereit sein. Werde ich kurz vor knapp aus den Federn getrieben, muss ich direkt funktionieren, werde unmittelbar von anderen Menschen angesprochen, die meine Aufmerksamkeit brauche, werde sofort von Aufgaben überrumpelt, um die ich mich dringend und sofort kümmern muss. In Windeseile die Brotdose einpacken, sich waschen und anziehen, mit meinen Mitmenschen kommunizieren, Tasche packen, Hund anleinen und mit dem Töchterchen Richtung Schule flitzen, also die stinknormalen Aufgaben des Alltags, werden schon zu Stressfaktoren.

Damit es mir gut geht, brauche ich morgens persönlich erstens Zeit für mich, um mir Klarheit darüber zu verschaffen, was der Tag mit sich bringen kann. Paradoxerweise muss ich, gerade weil ich ein Morgenmuffel bin, früher aufstehen. Und zwar mindestens eine halbe Stunde früher als die anderen im Haus.

Eine gute Morgenroutine beginnt am Vorabend

Bettzeit ordentlich bestimmen

Ich habe diesen Fehler extrem oft gemacht und mache ihn nach wie vor: Wenn ich 8 Stunden Schlaf brauche und um 6 Uhr aufstehen muss, muss ich um 22 Uhr schlafen. Wenn ich erst um 22 Uhr oder gar 22:20 Uhr im Bett liege, erst etwas lese und dann noch ein paar Minuten zum Einschlafen brauche, werden aus den 8 Stunden eher 7. Machen Sie das auch?

Schnell aufräumen

Kennen Sie das, wenn man morgens als Morgenmuffel aufwacht, in die Küche geht und erst mal die mittlerweile angetrocknete Teller vom Vorabend in die Spülmaschine räumen muss? Mann, wie ätzend! Ist das nicht ein fürchterlicher Start in den Tag? Nicht nur muss man direkt putzen, was schon schlimm genug wäre; nein: Man muss gleich mit diesem Versagensgefühl kämpfen, dass man die Aufgabe eigentlich gestern hätte erledigen sollen.

Deswegen räume ich abends immer 10 Minuten auf. Es muss wirklich nicht viel sein. Ich kümmere mich einfach um Küchentisch und Schreibtisch, damit sie am nächsten Morgen einsatzbereit sind.

Den Tag planen

Außerdem will ich morgens nicht planen müssen, also schreibe ich mir Termine und Aufgaben des nächsten Tags schnell in meinen Bullet Journal auf.

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Morgenroutine

Den Snooze-Kampf siegreich verlassen

I plead guilty: Ich gehörte zu denjenigen, die den Wecker ein knappes Stündchen vor der letztmöglichen Aufstehzeit gestellt haben, um noch 5-6mal die Schlummerfunktion des Handyweckers nutzen zu können.

Es kostet mich jeden Morgen Überwindung, aber ich habe damit aufgehört. Ich nutze den Snooze-Button nicht mehr. Ich hätte nicht gedacht, dass es einen großen Unterschied ausmacht, und doch bekräftigt es mich morgens sehr zu wissen, dass ich willensstark in den Tag gestartet bin.

Wohlergehen des Körpers

Nach einem schnellen Badbesuch inklusive Zähneputzen, was extrem mich irgendwie gleichzeitig erfrischt und aufmuntert, trinke ich Wasser, und zwar meine 750-ml-Flasche stilles Wasser.

Kurzum: Durch Hygiene und Rehydrierung nach dem nächtlichen Fasten kümmere ich mich um meinen Körper.

Wohlergehen der Seele

Hätten Sie mir vor 10 Jahren gesagt, dass man eine halbe Stunde früher aufstehen soll, um ein Tagebuch zu führen, damit es uns besser geht, hätte ich Ihnen herzlich ins Gesicht gelacht. Ich? Früher aufstehen? Das kam definitiv nicht in Frage.

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Bei der Lektüre des Buchs The Artist’s Way habe ich die Praxis der morning pages entdeckt. Dabei geht es darum, jeden Morgen, bevor andere Verpflichtungen und Menschen an unsere Aufmerksamkeit zerren, sich die Zeit für sich zu nehmen, um stream-of-consciousness-mäßig (🙄 tolles Wort…) 3 Seiten per Hand zu schreiben. Es hört sich nach nichts an und doch ist das eine lebensverändernde Praxis, die ich mittlerweile seit Jahren pflege, weil sie zuerst für das Platzen vieler Knoten und Denkmuster, dann für Klarheit, schließlich für einen lebenslangen Ideenflow sorgt.

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Wohlergehen des Geistes

Dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden und dass es dem einen nicht gut gehen kann, wenn der andere leidet, ist offensichtlich.

Das, was dem Körper gut tut, tut dem Geist auch gut. Deswegen sind Bewegung und Licht die letzten unentbehrlichen Mosaikteile meiner Morgenroutine. Der Spaziergang draußen, um meine Tochter in die Schule zu begleiten, oder ein paar leichte Dehnübungen auf dem Balkon, um Körper und Geist sanft zu wecken und in Einklang zu bringen, bevor der ganz normale Wahnsinn des Alltags losgehen, ist ein Schritt, den ich lange Zeit völlig unterschätzt und vernachlässigt habe.

Leichte Bewegung und natürliches Licht am Morgen machen für mich einen Riesenunterschied.

Erst nachdem ich diese wirklich unkomplizierte und alltagstaugliche Routine erledigt habe – und ich erledige sie gerne, weil ich jeden einzelnen Schritt genieße (außer dem Früh-in-Bett-Gehen, an dem ich noch arbeit) – mache ich zwei Dinge, die ich früher immer als Allererstes morgens gemacht habe. Erst dann trinke ich Kaffee und nutze irgendwelche Geräte, wie Handy, Laptop & Co.

Es gibt keine Distraktoren, keine anderen Menschen, keinen Kaffee und keine Monitore, bevor ich mich um meinen Körper, meine Seele und meinen Geist gekümmert habe. Erst wenn ich mich selbst gestärkt habe, kann ich als Morgenmuffel mit dem Rest umgehen. Und ich habe gelernt, dass es sich paradoxerweise dafür lohnt, früh(er) aufzustehen.

Haben Sie eine bestimmte Morgenroutine? Was hilft Ihnen, gut in den Tag zu starten?


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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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