Lehrer erzählen viel. Oft viel Gutes. Und im Umgang mit den Schülern hat jeder seine Sprüche, die er immer wieder verwendet. Bei mir kommen zum Beispiel peinlich oft „jeder für sich, Gott für alle“ für ‚Einzelarbeit‘ und „das Gleiche mit Pommes“ für ‚es macht keinen Unterschied‘ vor. 🤷🏻‍♀️Es gibt auch andere, oft rekurrierende Sprüche, die ich nicht nur nicht für besonders sinnvoll halte, sondern die mich teilweise sehr aufregen. Auf diese gehe ich im heutigen Beitrag ein.

Disclaimer: Natürlich sind weder die Sprüche noch die Menschen, die sie verwenden, an sich schlecht. Im Gegenteil: Wenn Sie einen dieser Sprüche verwenden, erzählen Sie uns doch, wann und warum er für Sie und Ihre Schüler funktioniert!

„Super!“

Super! ist mein Go-to-Lob.

Dennoch muss man mit unspezifischem Lob aufpassen. Wenn ein Lehrer lediglich „super“ sagt, ohne weitere Erklärungen oder konstruktives Feedback zu geben, bleibt die Rückmeldung oberflächlich und nutzlos. Außerdem ertappt man sich manchmal dabei, inadäquate Leistung zu loben. Nein, eine unterdurchschnittliche Leistung ist nicht „super“, nur weil man nett sein will.

Alternativ: Super, weil …

„Es gibt keine dummen Fragen.“

Vorsicht! Ich sehe schon Nasen wachsen.

Anstatt Quatsch zu erzählen – denn das ist doch gelogen! –, wäre es schön, eine solche Unterrichtsatmosphäre zu haben, in der sich jeder frei fühlt, im Sinne des jeweiligen Lernziels Neues auszuprobieren, selbst wenn dies die ersten paar Male dazu führt, dass man es verbockt. Jedes Kind, das laufen lernt, legt sich zigmal am Tag hin, bis es endlich klappt; auch im Unterricht sollte jeder Lerner sich und seinen Mitmenschen die Gnade des Versagens gönnen. Das schließt auch die Möglichkeit ein, die eine oder andere dumme Frage zu stellen.

Alternativ: Stellt all eure Fragen!

Lesen Sie auch: Perfektionismus: eine heilbare Krankheit.

„Da gibt es kein Richtig oder Falsch.“

Das ist ein nett gemeinter Spruch, mit dem Schüler dazu aufgemuntert werden, ihre Meinung oder ihre Antwort auf Interpretationsfragen preiszugeben. Warum ist es nicht gut finde?

Erstens stimmt er nicht. Es sind leider Gottes immer mehr als eine Antwort und mehr als ein Gedankengang möglich, die völlig daneben sind.

Außerdem geht es auch bei offenen Fragen, bei denen man die eigenen Gedanken und Ideen zum Ausdruck bringen soll, nicht nur darum, sich irgendetwas zu überlegen, sondern man muss ausgerechnet bei den Antworten, die nicht inhaltlich bewertet werden können, darauf achten, dass die sie kriterienorientiert, gut formuliert und intersubjektiv nachvollziehbar sind. Zum Beispiel ist eine Textinterpretation selbstverständlich nicht objektiv, doch kann man etwa durch Belegstellen oder Rückbezüge auf soziopolitische oder biographische Kenntnisse usw. dafür sorgen, dass die eigene Meinung zum Text, die an sich subjektiv und daher – gerade nach gewissen textphilosophischen Gedankenschulen – immer valide, so ausgedrückt wird, dass sie ein wissenschaftlicher Gedanke ist, mit dem andere Menschen etwas anfangen können.

Alternativ: Nehmt Stellung und begründet eure Argumente anhand von …

„Vielleicht ist das zu schwer für euch.“

Didaktische Entscheidungen obliegen nicht den Schülern. Dafür sind Lehrer da. Man kann also nicht von den Schülern eine didaktische Analyse von Lernmaterialien verlangen.

Sollte man im Unterricht mal merken, dass man sich diagnostisch vertan hat, sollte man sich eher fragen, was man adhoc an Hilfen anbieten kann, damit die Schüler die Aufgabe meistern können.

Alternative: Was braucht ihr?

„Das müsste jetzt jeder können.“

Natürlich gibt es Lernziele, die von allen Schülern erreicht werden müssen. Eine solche Formulierung kann aber sehr bloßstellend wirken, denn vielleicht ist Fritzchen etwas langsamer oder hat ganz schlecht geschlafen oder hat eben nicht aufgepasst. Auf jeden Fall ist mit einem solchen Spruch die Kommunikation verhindert, denn keiner würde jetzt zugeben, dass er noch nicht so weit ist.

Außerdem: „müsste“? Hat man irgendwelche Indikatoren im Unterricht beobachtet, die zeigen, dass die Lerngruppe das Lernziel erreicht hat, oder nicht?

Alternativ: Wendet das anhand von … an.

Jeden Sonntag erscheint ein neuer Artikel auf der Webseite. Bis der nächste herauskommt, könnten auch diese Sie interessieren:

Abonnieren Sie meinen Newsletter!



Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

1 Kommentar

Simon Dobmeyer · 30. Oktober 2023 um 13:34

Oh ja😉😉😉 Wenn ich diese Sprüche höre breche ich den Kontakt ab😂😂😂

Schreiben Sie einen Kommentar

Avatar placeholder

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert