„Ah, Venedig! Eine herrliche Stadt! Eine Stadt von unwiderstehlicher Anziehungskraft für den Gebildeten, ihrer Geschichte sowohl wie ihrer gegenwärtigen Reize wegen!“

Thomas Mann, Der Tod in Venedig

In sehnsüchtiger Erinnerung an eine meiner letzten Italienreisen, die mich vor zwei Jahren ins zauberhafte Venedig geführt hat, möchte ich heute ein paar Buchempfehlungen aussprechen. Die vorgeschlagenen Lektüren decken ein breites Anspruchsspektrum – von Thomas Mann bis hin zur Kinderliteratur – und sind alle aus jeweils anderen Gründen empfehlenswert.

Lesen Sie auch: 10 Dinge, die ich an der Toskana vermisse.

Tod in Venedig

4 von 5 Sternen ⭐️⭐️⭐️⭐️☆

Dieser Klassiker der Weltliteratur entführt den Leser in die letzten Tage des Schriftstellers Gustav von Aschenbach, der sich während eines Aufenthalts in Venedig in einen jungen polnischen Jungen verliebt. Durch Manns meisterhafte Erzählung werden Themen wie Schönheit, Verfall und die Suche nach ästhetischer Vollkommenheit behandelt, wodurch der Leser dazu angeregt wird, über die Grenzen von Moral und Selbstbeherrschung nachzudenken.

Mit seinem „leis fauligen Geruch von Meer und Sumpf“ wird die von einer Choleraepidemie heimgesuchte Serenissima zum Dekadenzsymbol schlechthin und der schroffe Gondoliere, der Aschenbach zum Lido übersetzt, zu einer Art Charon.

Empfehlung für: Liebhaber hochwertiger und anspruchsvoller Literatur

Mit vierzig, mit fünfzig Jahren, wie schon in einem Alter, wo andere verschwenden, schwärmen, die Ausführung großer Pläne getrost verschieben, begann er seinen Tag beizeiten mit Stürzen kalten Wassers über Brust und Rücken und brachte dann, ein Paar hoher Wachskerzen in silbernen Leuchtern zu Häupten des Manuskripts, die Kräfte, die er im Schlaf gesammelt, in zwei oder drei inbrünstig gewissenhaften Morgenstunden der Kunst zum Opfer dar. Es war verzeihlich, ja, es bedeutete recht eigentlich den Sieg seiner Moralität, wenn Unkundige die Maja-Welt oder die epischen Massen, in denen sich Friedrichs Heldenleben entrollt, für das Erzeugnis gedrungener Kraft und eines langen Atems hielten, während sie vielmehr in kleinen Tagewerken aus aberhundert Einzelinspirationen zur Größe emporgeschichtet und nur darum so durchaus und an jedem Punkte vortrefflich waren, weil ihr Schöpfer mit einer Willensdauer und Zähigkeit, derjenigen ähnlich die seine Heimatprovinz eroberte, jahrelang unter der Spannung eines und desselben Werkes ausgehalten und an die eigentliche Herstellung ausschließlich seine stärksten und würdigsten Stunden gewandt hatte.

Aus: Thomas Mann, Der Tod in Venedig

Lesen Sie auch: Someday is today.

Das Perlenmedaillon

4,5 von 5 Sternen ⭐️⭐️⭐️⭐️✨

Die Geschichte spielt im Nürnberg und Venedig an der Wende vom 15. ins 16. Jahrhunderts. Sabine Wieland ist sowohl nur Autorin von diesem und zahlreichen anderen historischen Romanen als auch selbst Historikerin. Die Hintergründe, auf denen die Geschichte spielt, und einige der Charaktere sind daher nicht bloß für den Roman gut recherchiert, sondern die Idee für den Roman ist aus ihrer wissenschaftlichen Forschung entstanden. Das sorgt für eine glaubwürdige und lebendige Kulisse voller historischen Details. Schön fand ich auch, dass im Nachwort Klarheit darüber geschaffen wird, welche Elemente des Romans reell und welche fiktiv sind.

Venedig als bedeutende Handelsstadt und kulturelles Zentrum spielt eine große Rolle im Roman. Als exotischer und mysteriöser Schauplatz, in dem Intrigen, Romantik und Geheimnisse nicht wegzudenken sind, bietet die atemberaubend schöne Serenissima mit ihren Kanälen, Palästen und engen Gassen eine reiche Kulisse für spannende Ereignisse.

Der Roman ist insgesamt trotz der fast 600 Seiten eine recht schnelle Lektüre, da in keinem der Kapitel die Geschichte und/oder die Entwicklung der Charaktere stehen bleiben. Manche Darstellungen der Italiener kamen mir recht stereotypisch vor und ich habe kleinere Fehler in den italienischen Sätzen gefunden, die den Lesefluss für mich minimal gestört haben.

Insgesamt sehr lesenswert!

Empfehlung für: Liebhaber von historischen Romanen, starken Frauenfiguren und der Stadt Nürnberg

Ich habe es mir außer bei Non-Fiction grundsätzlich abgewöhnt, den Klappentext von Büchern zu lesen, weil es mir schon oft passiert ist, dass da massive Spoiler offenbart wurden. Stattdessen entscheide ich mich für oder gegen ein Buch, indem ich die ersten paar Seiten lese. Dieses Buch war einer der Fälle, in denen ich sehr froh um die Praxis war. ⚠️ Lesen Sie bloß nicht den Klappentext, bevor Sie den Roman lesen! Das wird Ihnen die Lektüre sonst verderben. Lassen Sie sich auf die ersten zwei Kapitel ein, die jeweils 2004 und 1490 spielen. Dann werden Sie wissen, ob das Buch Ihnen zusagt.

Zeitenzauber

3 von 5 Sternen ⭐️⭐️⭐️⭐︎⭐︎

Bei diesen Jugendromanen handelt es sich um eine zu verschiedenen Zeiten in Venedig spielende Abenteuer- und Liebesgeschichte. Die 17-jährige deutsche Anna entdeckt während ihres Venedig-Urlaub eine rote Gondel. Eine rote Gondel? Das muss sie sich näher anschauen… und entdeckt dabei die magische und abenteuerliche Welt der Zeitreisen.

Einer YA-Trilogie, in der es um Zeitreisen geht, sage ich nie nein! Die Grundidee mag nicht ganz neu sein, aber die Umsetzung hat mir bei dieser Lektüre gut gefallen und unterhalten. Ich habe die Trilogie 2016 gelesen und kann mich mittlerweile nicht mehr an viele Einzelheiten erinnern. Ich weiß noch, dass mir in der Trilogie der erste Roman bei weitem am besten gefallen hatte, aber ich ingesamt um das gesamte Lektüreerlebnis froh war.

Empfehlung für: Jugendliche sowie alle, die YA und den Zauber von Zeitreisen lieben

Tommy Scuro e il fantasma delle prigioni

5 von 5 Sternen ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Während eines Venedigurlaubs habe ich dieses Buch mit meiner damals 5-jährigen Tochter in der wunderschönen historischen Buchhandlung Acqua Alta entdeckt und sofort geliebt. Die Geschichte ist originell und spannend für Kinder UND Eltern. Das ist schon mal ein riesiger Pluspunkt! Das, was das Buch für uns besonders lesenswert gemacht hat, war die Figur des Onkels: ein vampiresker Schriftsteller, der Menschen meidet, von Reisen überfordert ist und viele eigenartige Rituale einhalten muss, um seine Inspiration nicht zu gefährden und überhaupt im Leben klar zu kommen. Schön finde ich auch die Freundschaft zwischen Tommy und Pippina, die – schöne Abwechslung in einem Kinderbuch! – auf geschlechterspezifische Erwartungen verzichtet.

Die Stadt Venedig bietet die Kulisse zur Geschichte, denn dahin muss volens nolens Herr Scuro fahren, um seine neueste Erscheinung bei einer Lesung zu präsentieren. Dabei entdecken Tommy und Pippina, dass sich auch in der Stadt viele Geister herumtreiben und von ihren eigenen Wünschen und vergangenen Leben noch beeinflusst werden. Die Beiden müssen Geheimnisse aufdecken und Herrn Scuro helfen, ohne dass er es bemerkt.

Empfehlung für: italienischsprachige Kinder ab 5 Jahren

Dieses Kinderbuch kann man wunderbar als Stand-Alone lesen. Allerdings wird immer wieder auf eine Vorgeschichte hingewiesen, in der Tommy und Pippina herausgefunden haben, dass der Onkel entgegen ihren Vermutungen kein Vampir ist, dafür aber das ganze Gesinde seines Schlosses aus Geistern besteht. Davon hat der Schriftsteller keine Ahnung und das soll auch so bleiben.


Abonnieren Sie meinen Newsletter:

Jeden Sonntag erscheint ein neuer Artikel auf der Webseite. Bis der nächste herauskommt, könnten Sie auch diese interessieren:


Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Avatar placeholder

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert