Ein Buch schreiben, einen Blog starten, ein Lied komponieren, ein Start-up gründen… viele Menschen verspüren den starken Wunsch, etwas Kreatives zu schaffen, und fangen trotzdem aus irgendeinem Grund nie an. Ich glaube, dass die Schwierigkeiten, die uns daran hindern, einen ernsthaften Versuch zu starten, dreierlei Natur sein können:

  1. Man hat Angst, nicht genug zu sein: auch Versagensangst oder Minderwertigkeitsgefühle.
    Manchmal sind diese Befürchtungen so groß, dass wir uns nicht einmal erlauben, unsere Träume wahrzunehmen. Die Glaubenssätze, die wir für uns erarbeitet haben (und die sicherlich irgendwann in der Vergangenheit zu unserem Selbstschutz entstanden sind), arbeiten nun gegen uns.
  2. Man hat falsche Vorstellungen.
    Man glaubt vielleicht, dass man ein YouTube-Star sein möchte, aber man ist nicht bereit, so viel Arbeit hineinzustecken, dass jede Woche zwei Videos veröffentlicht werden können. Oder man möchte das eigene Buch im Laden sehen, aber man setzt sich defacto nicht an den Rechner, um ein paar Sätze zusammenzuschreiben. Man stellt sich eben oft vor, wie schön es wäre, Feldfrüchte zu ernten, aber… den Acker pflügen?! Pfui!
  3. Man wartet auf den richtigen Augenblick.
    Jetzt muss ich zuerst zu Ende studieren. Gerade muss ich zu viel arbeiten. Noch sind die Kinder zu klein. Ab morgen ist Saturn eh im Krebs. Das Problem mit dem richtigen Moment ist, dass er meist nicht kommt und, wenn er mal kommt, extrem leicht zu vertreiben ist.

The good news is: Gegen die Schwierigkeiten aus der dritten Kategorie gibt es ein gutes Buch, das mir geholfen hat, meine Zeit unter eine neue Perspektive zu betrachten, sodass ich – so mein Ziel – möglichst viele Ressourcen in die Lebensbereiche, die mir besonders am Herzen liegen, stecken kann.

Das Buch, das ich neulich als Hörbuch gehört habe, heißt Someday is today von Matthew Dicks.

Dieses Buch verstehe ich als Ausführung mit alltagstauglichen Tipps der Grundgedanken von Senecas erstem Brief:

Quaedam tempora eripiuntur nobis, quaedam subducuntur, quaedam effluunt. Turpissima tamen est iactura quae per neglegentiam fit. […] Dum differtur vita transcurrit. Omnia, Lucili, aliena sunt, tempus tantum nostrum est.

Sen. ep. 1.

Zeit ist unser höchstes Gut. Und doch verschwenden wir es allzu oft oder, wie Dicks es formuliert: Wir verschwenden uns selbst, wenn wir den Faktor Zeit nicht ausreichend in unseren Entscheidungsvorgängen berücksichtigen. Der Autor bietet viele Prinzipien und Anekdoten, um zu zeigen, wie wichtig unsere Zeit ist und wie unvernünftig sehr oft damit umgegangen wird.

Ich schreibe heute hier das zusammen, worüber ich beim Lesen nachdenken musste. Ich verzichte dabei auf eine allumfassende Rezension, sondern konzentriere mich ganz im Sinne der Hauptbotschaft aus dieser Lektüre auf das meine Lebensgestaltung Relevanteste. Ich bin mir aber sicher, dass vieles auf Ihr Leben auch zutrifft.

Die vollständige Lektüre von Someday is today empfehle ich Ihnen uneingeschränkt weiter, wenn Sie je den Eindruck haben, dass Ihnen die Zeit fehlt, Ihre Träume zu verwirklichen. Es handelt sich ohnehin – sehr passend! – um eine schnelle Lektüre.

Ein paar hilfreiche Gedanken

Als 100-Jähriger Entscheidungen treffen

What would Jesus do? ist für viele eine berechtigte Frage, die ihnen hilft, vernünftige Entscheidungen im Leben zu treffen.

Mir hilft der Gedanke aus dem Buch mehr, sich zu fragen, ob man selbst kurz vor dem Tod die Entscheidung bereuen würde oder nicht. Nimmt man das als Maßstab, ist Netflix wahrscheinlich oft genug nicht mehr so attraktiv.

Ich muss diesem Rat öfter folgen.

Dafür habe ich keine Zeit. = Ich nehme mir dafür keine Zeit.

So, der Unterricht ist vorbereitet. Ich kann mich zurücklehnen, Sport treiben, ausruhen oder einem wichtigen Projekt meine restlichen Energien widmen. Doch, Moment mal. Dieses eine Bild auf Folie 7 ist nicht ganz das, wonach ich gesucht habe.

20 Minuten später habe ich endlich das zu 89% passende Bild mit einem zu 94% passenden ersetzt. Viel besser, oder? NEIN!

In den 20 Minuten hätte ich besser mit meinen Lieben geplaudert, zwei-drei Paragrafen für ein Buch oder einen Artikel verfasst, ein Gedicht weitergeschrieben oder Gitarre geübt. Aber jetzt habe ich leider keine Zeit dafür. Ich armes Schwein.

Zeit hat man nicht, Zeit teilt man Aufgaben zu. Allokation ist das Stichwort.

Das sind nicht nur 10 Minuten.

Wenn man es schafft, jeden Tag 10 Minuten weniger zu verlieren, hat man am Ende des Jahres über 60 Stunden gespart. Das sind 1,5 Arbeitswochen! Man hat 1,5 Arbeitswochen mehr, die man einem eigenen Projekt widmen kann.

Das ist der Grund, weswegen ich, wenn ich laufe, immer eins der folgenden Dinge tue:

  • ein Hörbuch hören oder
  • meinem Handy etwas diktieren, was ich schreiben will.

Klar: Man könnte auch den Spaziergang genießen, indem man achtsam jedem einzelnen Grashalm im Blumenbeet Aufmerksamkeit schenkt, die idyllischen Geräusche und Düfte, mit denen uns Mutter Natur beglückt, würdigt und die bezaubernd wechselnde Gestalt der Wolken gebannt bewundert. Wenn dies Ihnen Freude bereitet, machen Sie das bitte für mich mit. Und wenn Sie ein schönes Buch darüber schreiben, werde ich es gerne während meiner Spaziergänge als Hörbuch hören.

Wie gewinnt man 10 Minuten am Tag zurück?

Option Nummer 1 lautet: Man findet Aufgaben, während derer man gut multitasken kann, wie:

  • putzen
  • bügeln (tue ich aus Prinzip nicht, aber wäre ein Beispiel)
  • Wäsche falten
  • kochen (im Alltag – ich rede nicht von kulinarischer Kunst)
  • sich schminken/rasieren

Diese stupiden Alltagsaufgaben kann man mit bedeutungsvolleren ergänzen. Deswegen liebe ich Hörbücher, höre gerne den einen oder anderen Podcast und mag Sprachübungen zum Nachsprechen. Währen des Latinistikstudiums hatte ich mir beispielsweise Audiodateien vorbereitet, um Verben und Stammformen zu wiederholen. (Die könnte ich ja mal hier auf der Webseite teilen, wo ich darüber nachdenke. Interesse?) Auch in der Schule kann man die Zeit optimieren: Während ich ein paar Worte mit einem Kollegen wechsle, kann ich schon mal für die Woche kopieren.

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Option Nummer 2, die von Matthew Dicks sehr beeindruckend ausgeführt wird, ist: Man hält Ausschau nach toten Zeiten im Laufe des Tages und versucht, diese mit kleinen Aufgaben zu füllen. Tote Zeiten ergeben sich zum Beispiel immer, wenn man auf etwas oder jemanden wartet.

Was macht man in diesen 10 Minuten?

Option Nummer 1: Teilaufgaben, die man ohnehin tun müsste, z.B.:

  • 1-2 Mails beantworten
  • etwas aufräumen
  • Müll wegbringen
  • Gemüse schneiden

Oder schulbezogen:

  • SoMi-Noten vergeben
  • einen Test korrigieren
  • Kopien vorbereiten
  • Ideen für den Unterricht aufschreiben
  • Unterrichtsinhalte auf Webuntis eingeben

Es sind nur Kleinigkeit, aber man ist froh, wenn man sie weghat, und man schaufelt sich so Zeit frei für die schöneren und wichtigeren Dinge im Leben.

Option Nummer 2 wird unterbewertet und Someday is today hilft sehr, diese 10 Minuten in die richtige Perspektive zu versetzen: Man arbeitet am eigenen kreativen Projekt weiter. Will jemand ein Buch schreiben, können ihn 10 Minuten seinem Ziel 2 Sätze näher bringen. Man mache es oft genug und es sind schon ein paar Kapitel.

Seitdem ich dieses Buch gelesen habe, habe ich viel intensiver darauf geachtet, dass ich so oft wie möglich die Diktierfunktion meines Handys benutze, und ich habe so viel geschrieben wie nie zuvor.

Wenn Sie jetzt einwenden möchten, dass Quantität und Qualität zwei verschiedene Paar Schuhe sind, lesen Sie bitte zuerst Perfektionismus: eine heilbare Krankheit!

Option Nummer 3: Weniger ist mehr.

Minimalismus ist heute Mode geworden. Nicht ganz zu Unrecht. Wer weniger besitzt, muss weniger managen, sortieren, aufräumen. Er muss weniger Entscheidungen treffen. Dadurch hat er mehr Zeit und mentale Kapazitäten für andere Aspekte des Lebens.

Reduzieren und Vereinfachen lautet das Motto.

Weniger Klamotten, unter denen man täglich wählen muss; weniger Gegenstände, die man zurückstellen muss; weniger Töpfe, die man spülen muss; weniger Spielzeug, das sich überall verteilt.

Weniger zu 94% passende Bilder. 89% tut’s auch und man kann dann etwas Wichtigeres tun.

Wohnort und der Faktor Zeit

Viele Leute in meinem Alter – ich werde nicht mehr allzu lange in meinen 30ern verweilen – haben Kinder und ziehen es verständlicherweise vor, die Innenstadt zu verlassen, um ein eigenes Haus außerhalb zu erwerben, wo sie die Vorteile von mehr Platz und einem Garten genießen können. Einige erzählten mir, wie dankbar sie während der Pandemie um ihr Haus und ihre veränderten Lebensumstände gewesen seien. Ich verstehe das einerseits gut und mir geht unsere kleine Wohnung oft genug auf den Keks. Andererseits habe ich überhaupt keine Lust auf zwei Autos mit dem damit verbundenen Aufwand, auf Pendeln, auf mehr Platz und Gegenstände, die gemanagt werden müssen. Die Idee, einen Garten zu haben, gefällt mir; doch: Wer soll ihn pflegen? Ich etwa?! Ich kenne mich damit null aus und hege keinerlei Ambitionen, Zeit und Energie darauf zu verwenden, mir das nötige Know-How zu erarbeiten, um einen grünen Daumen zu entwicklen. Meine Zeit ist mir kostbar und ich habe viele andere Dinge, die ich lieber tun möchte, als einen zusätzlichen Raum aufgeräumt zu halten, Rasen zu mähen oder lange zur Arbeit zu fahren.

Was ich gerne verbessern möchte

Kennen Sie das, wenn man beleidigt ist und etwas nicht hören will, weil man weiß, wie zutreffend die Kritik ist? Die eigenen Laster starren einen in die Augen und es ist unbeschreiblich unangenehm.

Das Gefühl hatte ich bei der Lektüre von Someday is today mehrfach. Dort, wo es am meisten wehtut, muss man wahrscheinlich am dringendsten handeln. Hier sind also ein paar von Matthew Dicks angesprochene Aspekte, die ich angehen möchte.

Snooze-Button

I plead guilty. Ich verwende jeden Morgen mehrfach die Schlummerfunktion meines Weckers und möchte am liebsten nicht aufstehen. Ich bin kein Frühaufsteher. Manchmal denke ich: Ich bin gar kein Aufsteher.

Lange Dusche

Ich dusche am liebsten heiß und lang. Beides Verschwendung, ich weiß.

The Spotlight Effect

Spotlight Effect: Neigung der Menschen, die Aufmerksamkeit anderer auf die eigene Person zu überschätzen.

Ich kann mir keine Fehler verzeihen. Die irgendwie traurige und doch beruhigende Wahrheit ist aber: Den allermeisten Menschen geht es in den allermeisten Fällen im Kilometerradius am Hintern vorbei, ob ich irgendwo einen Fehler begangen habe oder nicht. Think big picture.

Erfolg erkennen

Erfolg als solchen erkennen und feiern: Unter verschiedenen Gesichtspunkten sind diesem Aspekt die Kapitel 15 bis 17 gewidmet. Das war keine angenehme Lektüre, sage ich Ihnen, denn darin bin ich sehr sehr schlecht. Ich habe zum Beispiel 4 Studienabschlüsse, von denen ich nur beim ersten mit jemandem angestoßen habe. Das ist nicht gut.

Haben Sie neulich ein Buch gelesen, das Sie zum Nachdenken angeregt hat?

Jeden Sonntag erscheint ein neuer Artikel auf dieser Webseite. Bis der nächste herauskommt, könnten Sie auch diese interessieren:




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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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