Das sind meine Notizen zum fünften Buch der Tusculanae disputationes.

  • 45 v. Chr. in Tusculum verfasst
  • Brutus gewidmet
  • aristotelischer Dialog zwischen magister und discipulus
  • 5 Bücher, je eine schola
  • Buch 1: Der Tod ist kein Übel.
  • Buch 2: Der Weise kann Schmerz ertragen.
  • Buch 3: Einen Weisen kann kein Kummer befallen.
  • Buch 4: Der Weise kann sich von allen Leidenschaften befreien.
  • Buch 5: Durch die Tugend kann man ein glückseliges Leben führen.

Prooemium (1-11)

virtutem ad beate vivendum se ipsa esse contentam.

Cic. Tusc. 5.1.

Wie alle Bücher der Tusculanae fängt auch das letzte Buch mit einem Prooemium an, in dem der Erzähler Cicero die Philosophie lobt und seine persönliche Beziehung zur Philosophie betont. Zum ersten Mal zeigt er hier aber Selbstzweifel und Reue gegenüber seiner eigenen Haltung. Er gibt zu, dass er wegen der erlebten Schicksalsschläge – propter tam varia et tam multa tormenta fortunae (5.1), nämlich: Verfall der Republik, Verbannung, Tod der Tochter Tullia – nicht in der Lage gewesen sei, glückselig zu leben.

Es ist schließlich einfacher, die harte Natur der Dinge zu verurteilen, als den eigenen Fehler zu einzusehen: rerum naturam quam errorem nostrum damnare malumus (5.4).

Was nun? A philosophia petenda correctio est (5.5).

O vitae philosophia dux, o virtutis indagatrix expultrixque vitiorum!

Cic. Tusc. 5.5.

Die Weisheit – sapientia – ist sowohl inhaltlich als auch vom Namen her eine uralte Angelegenheit. Nachdem er dann die Exempla der sieben Weise (σοφοί) spricht, erklärt er, was ein Philosoph überhaupt war, nämlich jemand, der sich ganz und gar auf das kontemplative Leben und die Beobachtung und Beschreibung von Naturphänomenen konzentriert:

qui ceteris omnibus pro nihilo habitis rerum naturam studiose intuerentur.

Cic. Tusc. 5.9.

Wie schon im Buch 4 folgt hier ein Lob des Pythagoras, dann selbstverständlich des Sokrates, der die Philosophie – bis dahin Naturphilosophie – auf den Alltag der Menschen bezog und dadurch um die moralische Dimension erweiterte:

Socrates autem primus philosophiam devocavit e caelo et in urbibus conlocavit et in domus etiam introduxit et coegit de vita et moribus rebusque bonis et malis quaerere.

Cic. Tusc. 5.10.

Mit Sokrates wird die Moralphilosophie geboren.

These des Tages

Non mihi videtur ad beate vivendum satis posse virtutem.

Cic. Tusc. 5.12.

Wenn man annimmt, dass die Tugend alleine nicht ausreichend ist, um glückselig zu leben, gibt man indirekt zu, dass auch ein Weiser externen Faktoren in der Gestaltung seines Lebens ausgeliefert ist. Die Fragen, die aufgeworfen werden, behandeln extreme Fälle, wie

  • Kann jemand, der gefoltert wird, glückselig sein? (5.14)
  • Kann jemand, der Exil, Trauer, Verlust der eigenen Kinder erlebt, glückselig sein? (5.16)

Die Antwort lautet: ja. Und zwar dann, wenn der Philosoph es schafft, völlig frei von Leidenschaften zu werden (vacare omni animi perturbatione sapientem (5.17)). Wird der Weise so gelassen, kann ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen, denn er spürt keine Angst, keine übermäßigen Triebe usw.:

illi beati, quos nulli metus terrent, nullae aegretudines exedunt, nullae libidines incitant, nullae futtiles laetitiae exultantes languidis liquefaciunt voluptatibus.

Cic. Tusc. 5.16.

Was immer passiert, ist für den Weisen erträglich.

Quodsi est qui vim fortunae, qui omnia humana, quae cuique accidere possunt, tolerabilia ducat, ex quo nec timor eum nec angor attingat, idemque si nihil concupiscat, nulla ecferatur animi inani voluptate, quid est cur is non beatus sit?

Cic. Tusc. 5.17.

Ich zitiere Primo Levi und frage mich „se questo è un uomo“, aber gut.

Nachdem die wissenschaftliche Vorgehensweise von Mathematikern und Philosophen miteinander verglichen wurde (5.19), kommt Cicero zum Kernanliegen der Moralphilosophie:

Nam quid profitetur? o dii boni! perfecturam se, qui legibus suis paruisset, ut esset contra fortunam semper armatus, ut omnia praesidia haberet in se bene beateque vivendi, ut esset semper denique beatus.

Cic. Tusc. 5.19.

Die Meinung früherer Philosophen

Cicero vertritt hier stoische Ideale, die gegenüber anderen philosophischen Überzeugungen verglichen werden.

Der Akademiker Antiochos (5.21-23)

Die Akademiker unterscheiden drei Arten von Gütern und Übeln: animi, corporis und externa. Sie weisen darauf hin, dass die Tugend zum glückseligen Leben (vita beata) führen könne, dass sie jedoch alleine nicht reiche, um zu einer vita beatissima zu gelangen. Hierfür seien auch die Abwesenheit von großen Übeln sowie die Präsenz von Gütern wie gloria, divitiae usw. notwendig.

Eine solche die Macht der virtus einschränkende Sicht lehnt Cicero komplett ab. Sprachwissenschaftlich erklärt könnte man sagen, dass beatus seiner Meinung nach kein relatives, sondern ein absolutes Adjektiv (wie schwanger oder tot) ist. Daher ist es nicht gradierbar: Entweder ist man beatus oder nicht.

Der Peripatetiker Theophrast (5.24f.)

Für Theophrast hat Cicero nicht viel und nichts Positives übrig. Er vertrat nämlich die Meinung, dass externe Übel die Glückseligkeit verderben könnten. Da er den Satz vitam regit fortuna, non sapientia lobte, können Sie sich schon vorstellen, wie dolle er von Cicero verachtet wurde.

Epikur (5.26-31)

Cicero ist an dieser Stelle ein lobendes Sätzchen für Epikur gerutscht – qui multa praeclare saepe dicit, oh là là! –, denn alles, was mit Mäßigung zu tun hat, kann er natürlich nur gutheißen:

  • laudat tenuem victum
  • negat quemquam iucunde posse vivere, nisi idem honeste sapienter iusteque vivat
  • fortunam exiguam intervenire sapienti

All die guten Überlegungen passen jedoch für Cicero nicht zur Ansicht, dass der Schmerz das höchste Übel sei, denn damit gestattet man, dass das Schicksal und externe Faktoren, die nicht einmal der Weise beeinflussen kann, seine Glückseligkeit gefährden.

An der Stelle betont er daher seine These:

omnis bonos semper beatos volumus esse. quos dicam bonos, perspicuum est; omnibus enim virtutibus instructos et ornatos tum sapientis, tum viros bonos dicimus.

Cic. Tusc. 5.28.

So weit so gut. Dann wird es meiner Meinung nach wieder etwas wackelig, wenn er erklärt, wer nun diese beati sind:

videamus, qui dicendi sint beati, equidem eos existimo, qui sint in bonis nullo adiuncto malo.

Cic. Tusc. 5.29.

Moment mal! Jetzt spielen also doch die Übel eine Rolle?! Nein, denn um das zu retten, sagt Cicero dann, dass mala die aus den negativen Gegebenheiten des Lebens entstehenden perturbationes sind und nicht die Schicksalsschläge selbst. Wer Krankheit, Trauer, Blindheit, Armut und Konsorten als Übel ansieht, kann nicht glückselig sein.

Der Stoiker Zenon (5.32-36)

satis magnam vim in virtute esse ad beate vivendum

Cic. Tusc. 5.32.

Wie schon oben erwähnt, muss man honeste sapienterque vivere, um glückselig zu sein, denn:

bonos beatos, improbos miseros

Cic. Tusc. 5.35.

Die Tugend reicht alleine aus, um glücklich zu leben.

Die Tugend ermöglicht ein glückliches Leben (5.36-53)

neque enim laetabitur umquam nec maerebit nimis, quod semper in se ipso omnem spem reponet sui

Cic. Tusc. 5.36.

Um alle Hoffnung innerhalb sich selbst finden zu können, muss man die eigene Natur verstehen. In 5.37 folgt ein kleiner Katalog von Pflanzen und Tieren, die alle gemäß ihrer Natur leben und vollkommen sind. Was ist aber menschlich?

humanus autem animus decerptus ex mente divina cum alio nullo nisi cum ipso deo, si hoc fas est dictu, comparari potest.

Cic. Tusc. 5.38.

Der Mensch hat Anteil am Göttlichen. Aus diesem Grund kann der Mensch Tugend, also von allem losgelöste Vernunft, besitzen und auf sich selbst gestellt sein.

quid enim deest ad beate vivendum ei, qui confidit suis bonis? aut, qui diffidit, beatus esse qui potest?

Cic. Tusc. 5.40.

Die Dinge, die zum glückseligen Leben notwendig sind, müssen solche sein, die man nicht verlieren kann. Außerdem ist Cicero bei der Frage nach der vita beata nicht kompromissbereit: gar keine Angst, gar keine übermäßigen Affekte usw. usf. erstrebenswert ist nämlich securitas, also ‚Abwesenheit von curae‚, nämlich ‚vacuitas aegritudinis‚. Um diese erreichen zu können, bedarf es natürlich der fortitudo, welche zusammen mit der temperantia, die Affekte und Gelüste zähmt, Furcht und Kummer besiegen soll.

Nachdem die Einteilung der perturbationes als mala wie in 4.11ff. erfolgt –

  1. ex opinato bono futuro: libido
  2. ex opinato bono praesenti: laetitia
  3. ex opinato malo futuro: metus
  4. ex opinato malo praesenti: aegritudo

–, führt Cicero einen logischen Beweis aus, um das bonum als honestum zu erklären:

  • omne bonum laetabile est
  • quod laetabile est, praedicandum est
  • quod praedicandum est, gloriosum laudabileque est
  • quod laudabile est, honestum est
  • quod bonum igitur est, honestum est

(Vgl. auch off. 1.15ff., wo Cicero das honestum den vier Kardinaltugenden als Teilbereichen überordnet.)

Denn auch ein Mann, der Stärke, Macht, Reichtümer usw. besitzt, kann nur unglücklich sein, wenn er maßlos, ungerecht und ängstlich ist.

Nur honesta sind also bona. Daher darf Vieles, was sonst als Gut gelten würde, nicht als bonum angesehen werden, wie Reichtum, Schönheit, edle Herkunft, Ruhm usw. Diese werden von den Peripatetikern bona genannt, ohne die ein einschränkungsfrei glückseliges Leben nicht möglich sei, von den Stoikern aber bloß praecipua oder producta. Cicero will aber die Möglichkeit zur vita beata nur von der Tugend des einzelnen Menschen abhängig machen, keineswegs von äußeren Umständen. Er führt auch Sokrates an:

qualis cuiusque animi adfectus esset, talem esse honimen; qualis autem homo ipse esset, talem eius esse orationem; orationi autem facta similia, factis vitam. adfectus autem animi in bono viro laudabilis; et vita igitur laudabilis boni viri; et honesta ergo, quoniam laudabilis.

Cic. Tusc. 5.48.

Bei orationi autem facta similia musste ich zucken, denn das scheint mir oft nicht zu stimmen, aber gut…

Katalog guter und schlechter Lebensbeispiele (54-67)

Die Hauptlehre dieses Buchs:

satis autem virtus ad fortiter vivendum potest

Cic. Tusc. 5.54.

Eine weitere Sentenz, die zum Nachdenken anregt, ist:

sapientia semper eo contenta est quod adest

Cic. Tusc. 5.54.

Unter anderem werden als positive oder negative Exempla erwähnt:

  • Gaius Laelius vs. Cinna
  • Gaius Marius und Catulus
  • Dionysios und Damokles
  • Platon und Archytas
  • Archimedes

Die drei Bereiche der Philosophie (68-72)

Philosoph kann nur ein begabter, kompetenter und motivierter Mann sein: quidam praestans vir optumis artibus (kompetent), ingenio eximio (begabt), ad investigandam veritatem studio incitato (motiviert).

Tardis enim mentibus virtus non facile comitatur.

Cic. Tusc. 5.68.

Die drei Bereiche der Philosophie sind:

  1. philosophia naturalis
  2. philosophia moralis
  3. philosophia rationalis

Es ist durch die contemplatio und explicatio naturae, dass auch Selbsterkenntnis (Γνῶθι σεαυτόν) möglich ist. Erst da entsteht der Funke, als des λόγος teilhaftig selbst in der Endlichkeit der menschlichen Existenz nach der Unendlichkeit des Göttlichen zu streben. Es geht dem Stoiker schließlich darum, sowohl die Natur als auch sich selbst zu kennen, um seinen Platz in der Welt zu finden. Das schließt zum einen das vivere secundum naturam (ὁμολογουμένως τῆ φύσει ζῆν), zum anderen das politisch-soziale Engagement ein. Auf das Erkennen und Anwenden der virtus kommt es an. Nützlich und (im otium) eines Weisen würdig ist schließlich die Fähigkeit, logisch zu argumentieren.

Wer dies alles kann, kann nur glückselig sein.

Die unerschütterliche Glückseligkeit des Weisen

Ist der Weise auch unter Folter glückselig?

Selbstverständlich: Es reicht die Tugend allein.

Kritik an Epikur (73-74)

Cicero hat an der Stelle sogar ein nicht so negatives Wort über Epikur, der auch behauptete, dass ein Weiser über dem Schmerz stehen soll. Jedoch kann Cicero nicht gutheißen, dass der Schmerz überhaupt als Übel angesehen wird. Noch habe er sich die eigentlichen Heilmittel gegen den Schmerz verschafft (firmitatem animi, turpitudinis verecundia, exercitationem consuetudinemque patiendi, praecepta fortitudinis, duritiam virilem), sondern basiere sein Durchhaltevermögen auf Erinnerungen an gute Zeiten bzw. an die Tatsache, dass der Schmerz entweder vergänglich oder bereits am höchsten sei.

Kritik an die Stoiker (76)

Die Stoiker gehen Cicero mit ihrer in 5.47 bereits erwähnten Drei-Güter-Lehre auch nicht weit genug. Zwei von drei – corporis und externa – müsse man nur vorziehen (die προηγμένα), damit sie Güter sind; das eine göttliche Gut, worauf es wirklich ankommt, – animi – dürfe aber nicht nur glückselig machen, sondern beatissimum.

Der Schmerz, der der größte Feind der Tugend zu sein scheint, kann den wahren Weisen auch nicht erschüttern.

Hier überlappen sich die Themen mit denen in Buch 2. Lesen Sie auch: Wie man Schmerz erträgt (Cic. Tusc. 2)

Wie wird der Weise unerschütterlich?

Wie kann man nun dafür sorgen, dass ein Mensch gegenüber dem Schmerz unerschütterlich wird? Die Antwort lautet, wie schon in Buch 2: Abhärtung!

Es werden hierzu verschiedene Beispiele angegeben: von Schlägereien unter spartanischen Jugendlichen über nackte Brahmanen im Schnee bis hin zu Frauen, die sich liebend gerne auf den Scheiterhaufen ihres verstorbenen Mannes legen lassen.

Ich musste dabei an Resilienzforschung denken. Ich bin einerseits sicher, dass heutige Resilienzforschung viele dieser Vorstellungen mittlerweile dezidiert widerlegt, vor allem wenn es darum geht, unter unsicheren und problematischen Umständen aufzuwachsen. Andererseits sind Menschen bekanntermaßen anpassungsfähig und müssen in der richtigen Dosis mit (altersgemäßen) Unannehmlichkeiten konfrontiert werden, um Selbstwirksamkeit erfahren und ausbauen zu können. Ich musste an die Menschen denken, die von kalten Duschen begeistert sind, weil sie durch das Überwinden einer scheinbar unbedeutenden Unbequemlichkeit mehr Kraft für die wichtigen Anstrengungen des Tages finden.

Es geht nicht darum, die Natur zu besiegen, denn der Schmerz ist Teil des Lebens, sondern vielmehr darum, zu lernen, wie man damit umgeht:

Numquam naturam mos vinceret; est enim ea semper invicta.

Cic. Tusc. 5.78.

Seneca bringt das in den Quaestiones naturales schön auf den Punkt:

Invicti esse possumus, inconcussi non possumus.

Sen. nat. 2.59.

Im Einklang also mit stoischem Gedankengut vertritt Cicero durch das gesamte Buch, dass die Tugend allein – unabhängig von den erlebten Schmerzen – zum glückseligen Leben beitrage:

Nec enim virtutes sine beata vita cohaerere possunt nec illa sine virtutibus.

Cic. Tusc. 5.80.

Der Weise tut nichts, was er bereuen wird, lässt sich nicht vom Schicksal überraschen noch denkt er, er könne die Zukunft vorhersehen:

Sapientis est enim proprium nihil quod paenitere possit facere, nihil invitum, splendide constanter graviter honeste omnia, nihil ita exspectare quasi certo futurum, nihil, cum acciderit, admirari, ut inopinatum ac novum accidisse videatur, omnia ad suum arbitrium referre, suis stare iudiciis. Quo quid sit beatius, mihi certe in mentem venire non potest.

Cic. Tusc. 5.81.

Die verschiedenen philosophischen Schulen

Cicero will an dieser Stelle zeigen, dass sich die verschiedenen philosophischen Schulen zwar hinsichtlich ihrer Ziele voneinander unterscheiden, dass jedoch bei allen der gemeinsame Nenner der Tugend als höchsten Guts identifiziert werden kann. In (82f.) geht er auf Stoiker, Peripatetiker und Akademiker ein, um zu zeigen, dass für alle – ungeachtet der Unterschiede – die Tugend allein zur vita beata ausreiche:

quaecumque dissentientium philosophorum sententia sit de finibus, tamen virtus satis habeat ad vitam beatam praesidii

Cic. Tusc. 5.83.

Philosophischer Exkurs (ab 84)

Einfache Angaben zum Ziel des Lebens:

  1. nihil bonum nisi honestum (Stoiker)
  2. nihil bonum nisi voluptatem (Epikur)
  3. nihil bonum nisi vacuitatem doloris (Hieronymus)
  4. nihil bonum nisi naturae primis bonis aut omnibus aut maxumis frui (Carneades)

Komplexere Angaben zum Ziel des Lebens:

  1. tria genera bonorum: animi, corporis, externa (Peripatetiker, ähnlich wie die Akademiker)
  2. voluptas cum honestate copulata (Dinomachus und Callipho, kyräische Philosophen)
  3. voluptas + honestas + indolentia (Peripatetiker Diodorus)

Insbesondere die Peripatetiker scheinen Cicero zufolge eine gemäßigtere Sicht der Dinge zu haben: Es sei wichtig, in jeder Lebenslage nach honestas und virtus zu streben und schließlich komme es wie in der Landwirtschaft nicht darauf an, jeden negativen Witterungseinfluss zu wenden, sondern daran, dass das Positive das Negative möglichst stark übertrifft.

Epikur fürchtet sich nicht vor dem Tod. Immo: Er erachtet den Todestag als einen glücklichen Tag. Den Schmerz verachtet er auch und tröstet sich über seine Länge mit seiner Schwäche und über seiner Stärke mit seiner Kürze. Außerdem sei Epikur ein wahrer Minimalist, würden wir heute sagen, der erkannt hat, dass man (nur) mit wenig zufrieden leben kann.

Ähnlich wird die bedürfnislose Lebensweise von Anacharsis gelobt. Auch Sokrates, Xenokrates und Diogenes haben bekanntermaßen Überfluss verachtet.

Epikur teilt die Begierden folgendermaßen ein (93):

  • natürlich und notwendig (leicht zu befriedigen)
  • natürlich und nicht notwendig (leicht zu befriedigen, leicht zu entbehren)
  • weder natürlich noch notwendig (völlig zu entbehren)

Voluptas sei nach Epikur immer wünschenswert, Schmerz immer zu vermeiden. Dabei nähme der Körper nur das Hier und Jetzt wahr, der Geist können auch die zukünftige Empfindungen vorsehen.

Es folgen verschiedene Exempla:

  • Lakedaimonier: Sparsamkeit und Anstrengung (98ff.)
  • Timotheus und Platon: Zurückhaltung beim Essen (100)
  • Aristoteles: Verachtung von Reichtümern (101f.)
  • Demosthenes: Verachtung von Ruhm und Ehre (103f.)
  • Hermodorus: Verachtung von Ruhm (105)
  • Aristides: Übermaß an Gerechtigkeit (105)

Contempto igitur honore, contempta etiam pecunia quid relinquitur, quod extimescendum sit?

Cic. Tusc. 5.106.

(106ff.) handelt vom Exil, einem weiteren großen Übel, das viele Philosophen geplagt hat. Das beste Heilmittel sei es, überall eine Heimat finden zu können, wie etwa Teukros, der sagte „Patria est, ubicumque est bene„, oder Sokrates, der sich als mondanus bezeichnete.

Wenn Epikur behauptet, dass ein Weiser immer in voluptatibus. Damit kann sich Cicero anfreunden. Dann (111ff.) spricht Cicero über die Auswirkungen von Sinnesverlusten wie Blindheit und Taubheit auf das Glück und die Freude im Leben. Er erwähnt, dass selbst ohne die Fähigkeit zu sehen oder zu hören, Menschen immer noch Freude und Genuss empfinden können. Cicero diskutiert auch die philosophischen Ansichten einiger Denker, darunter Epikur, Antipater von Kyrene, Demokrit und Anaxagoras, die trotz ihrer körperlichen Einschränkungen ein erfülltes Leben führten.

Er argumentiert, dass die Fähigkeit zur geistigen Reflexion und Freude nicht notwendigerweise von den Sinnen abhängt. Er führt Beispiele von Menschen an, die trotz Blindheit oder Taubheit erfolgreich in der Philosophie studierten oder ihren Interessen nachgingen.

Quid ergo? aut Homero delectationem animi ac voluptatem aut cuiquam docto defuisse umquam arbitramur?

Cic. Tusc. 5.114.

Schließlich betont Cicero, dass die Fähigkeit zur Zufriedenheit und zum Glück nicht von den äußeren Umständen oder körperlichen Einschränkungen abhängt, sondern von der inneren Einstellung und dem Umgang mit diesen Herausforderungen.

Was soll man davon halten, dass Cicero sein Werk damit abschließt zu betonen, wie doll er leidet und dass er diese Bücher auf der Suche nach Trostmitteln geschrieben habe?

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Bibliographie

Kirfel, E.A. (Hg.) (1997): Cicero. Tusculanae disputationes. Lateinisch / Deutsch. Stuttgart: Reclam.


Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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