Deutsch-lateinische Übersetzungen, Repetitorien, Stilübungen… wie auch immer man sie nennt, der Kern bleibt gleich: Sie sind schwer, man muss viel üben und die Auswahl an Materialien zum Selbststudium ist beschränkt.

In dieser Serie stelle ich Ihnen nach und nach alles zur Verfügung, was mir im Rahmen des Studiums und darüber hinaus in Bezug auf die deutsch-lateinische Übersetzung weitergeholfen hat.

Heute geht es um 10 Schritte beim Korrekturlesen, die Ihren lateinischen Text fehlerfrei machen.

Selbstkorrektur durch mehrschichtiges Lesen

Nehmen wir an, Sie sitzen in der Klausur und haben den deutschen Text vernünftig ins Lateinische übersetzen können. Was machen Sie nun, um all die kleinen Fehlerchen zu korrigieren, die sich womöglich in Ihren Text eingeschlichen haben?

Eine Übersetzung zu überprüfen, ist immer am günstigsten, wenn man sich vom eigenen Text etwas distanziert hat, also ein paar Tage nachdem man den Text verfasst hat. Leider ist dies in der Klausursituation nicht möglich. Aber erfreulicherweise können wir uns Techniken aneignen, um eine gezielte Selbstkorrektur erfolgreich vornehmen zu können.

Ich nenne diese Technik die Methode des mehrschichtigen Lesens.

Sie besteht darin, den Text mehrfach – nämlich am besten 10mal! – zu lesen, jedoch nicht als Fließtext, sondern indem man sich selektiv jeweils auf einen bestimmten Aspekt, eine Textschicht also, konzentriert:

1) Die Schicht der häufigen Fehler

Wenn Sie in der Klausur sitzen, haben Sie schon ein Semester lang fleißig geübt und können auf einen ziemlich großen Pool an Texten und auch an Fehlern zurückgreifen. Merken Sie sich bei der Nachbereitung der Texte während des Semesters immer, was für Fehler Ihnen wiederholt unterlaufen. Das kann alles Mögliche sein, z. B.:

  • Verwechseln Sie gerne tamen und tandem?
  • Übersehen Sie immer wieder mal ein Plusquamperfekt?
  • Machen Sie häufig Kasusfehler bei Relativpronomina?

Full disclosure: Das waren ein paar von meinen häufig rekurrierenden Fehlern. Merken Sie sich, welche Fehler Sie wiederholt machen, und achten in der Klausur ganz gezielt darauf.

2) Die Schicht der Rückübersetzung

Eine Methode, die viele anwenden, um ihren lateinischen Text zu korrigieren, ist die Rückübersetzung. Indem Sie Ihren lateinischen Text zurück ins Deutsche übersetzen, könnte Ihnen der eine oder andere Fehler leichter auffallen, als wenn Sie ihren lateinischen Text nur läsen.

Ich persönlich wende diese Methode nicht allzu oft an, aber sie hat mir insbesondere geholfen, um falsche Ablativi absoluti auffindbar zu machen. Es ist mir nämlich immer wieder passiert, dass ich einen Ablativus absolutus mit dem PPP von einem intransitiven Verb gebaut habe, à la die advento, um nachdem der Tag gekommen war zu übertragen. Tja, wenn man rückübersetzt und nachdem der Tag gekommen worden war hört, bemerkt man hoffentlich den Griff ins Klo.

3) Die Schicht der Vollständigkeit

Schlicht und einfach: Haben Sie alle Wörter übersetzt? Gehen Sie am besten Wort für Wort Ihren Text und den deutschen Text durch und schauen Sie nach, dass Sie auch wirklich alles mit übersetzt haben, denn Auslassung sind völlig verschenkte und ärgerliche Fehler.

On the bright side: Auslassungsfehler sind für den Dozenten die allerschwierigsten zu entdecken, und man kann das Glück haben, dass er einen nicht bemerkt. (Natürlich gibt es auch Korrekturtechniken, um Auslassungsfehler leichter zu finden, aber die verraten wir hier nicht! 😉)

4) Die Schicht der Rechtschreibung

Die nächste Lektüre betrifft die Orthographie und die Flexionsmorphologie: Haben Sie alle Wörter richtig geschrieben? Unter den orthographischen Merkmale kann man z. B. achten auf:

  • Großschreibung von Herkunftsadjektiven (Romanus, Italicus …),
  • Rechtschreibung griechischstämmiger Wörter, etwa mit rh am Wortanfang für ῥ, th für θ, t für τ usw.,
  • Kommasetzung zwischen über- und untergeordneten Sätzen,
  • kein Komma bei AcI und Abl. abs.;
  • Wortähnlichkeit,

Dass ich aus einer dea venusta mal eine dea vetusta gemacht habe, fand die Dozentin zwar lustig, aber Sympathiepunkte gab es leider keine.

In dieser Phase kann man auch kontrollieren, ob die Wortformen morphologisch korrekt gebildet wurden. Ich habe es z. B. systematisch geschafft, das i beim Imperfekt der gemischten Konjugation (faciebam) zu vergessen oder die u-Deklination bei magistratus zu vergessen. Upsi!

Gegen solche Fehler ist es am besten, Wort für Wort von unten nach oben vorzugehen. Fangen Sie am Ende des Textes an und hangeln Sie sich rückwärts durch, werden Sie weniger durch den Inhalt abgelenkt und können sich auf die einzelnen Wortformen konzentrieren.

5) Die Schicht des Kasus

Die nächsten sechs Schritte haben es mit Morphosyntax zu tun. Wir fangen mit den deklinierbaren Wörtern – Substantiven, Pronomina, Adjektiven, Partizipien, Gerundiva – an und schauen, ob die Kasus stimmen. Warum hat man sich für einen bestimmten Kasus entschieden? Wurde er etwa von einer Präposition oder einem Verb gefordert? Haben wir den richtigen gewählt (z. B. parcere + Dat., adiuvare + Akk.)? Sind Substantiv und dazugehörige Adjktive oder Pronomina kongruent?

Ein besonders fehleranfälliger Kasus scheint mir der Ablativ zu sein, denn damit ist die transzendentale Frage verknüpft: bloßer Ablativ oder mit in? Außerdem ist cum + Abl. statt bloßen instrumentalen Ablativs auch ein rekurrierender Fehler.

Bei Pronomina lohnt es sich in dieser Phase auch, die Reflexivität zu überprüfen: se oder eum, suus oder eius?

6) Die Schicht des Numerus und Genus

Numerus und Genus von deklinierbaren Wörtern sind nicht superduperfehleranfällig, finde ich, aber es lohnt sich ein Auge darauf zu werfen, dass auch alles stimmt. Mir ist neulich in einem von einem Lateinprofessor verfassten Buch ein tanta amore aufgefallen, nur um zu sagen: Solche blöden Fehler können wirklich jedem passieren.

Nicht einmal Italiener sind geschont: Sie müssen nämlich immer auf Wörter wie rete – ein lateinisches Neutrum, aber italienisches Femininum – oder das maskuline fons, das im Italienischen la fonte heißt, aufpassen.

7) Die Schicht von Person und Numerus

Wir machen nun mit Verben weiter. Person und Numerus sind nicht so fies. Das einzige Problem, das ich damit hatte, war, dass man doch meistens Texte in der 3. P. Sg. hat und, wenn es darum geht, andere Personen zu übersetzen, man sich daher schneller vertut. Daher die Fragen: Haben Sie bei 2. P. Sg. auch wirklich ein -s oder -isti genommen? u. ä.

8) Die Schicht der Modi

Wurden die Modi richtig gewählt? Schauen Sie noch einmal auf alle Subjunktionen: Haben Sie nach z. B. nach kausalem cum oder finalem ut auch Konjunktiv genommen? Haben Sie etwa nach zusammengesetzten Relativpronomina wie quisquis Indikativ benutzt?

9) Die Schicht der Tempora

Sie haben es fast geschafft! Bleiben Sie dran, denn jetzt kommt eine der allerwichtigsten Schichten: das Tempus. Die Überprüfung der Tempora ist komplex, denn es geht um drei Ebenen:

  1. Haben Sie funktional und aspektisch gesehen das richtige Tempus gewählt? Imperfekt oder Perfekt? Futur, wo man im Deutschen auch im Präsens arbeiten kann? …
  2. Stimmen die Zeitverhältnisse von AcI und Partizipialkonstruktionen? Außerdem muss man sich merken, dass man bei quin-Sätzen auch die Nachzeitigkeit mit coniugatio periphrastica ausdrückt, und solche Scherzchen.
  3. Der dritte große Block ist die consecutio temporum in indikativischen bzw. konjunktivischen Nebensätzen.

10) Die Schicht der Diathese

Die letzte Lektüre betrifft das Genus verbi, insbesondere das Passiv. Am bereits erwähnten Beispiel die advento sieht man schon, worauf zu achten ist: Sind die gewählten Passivkonstruktionen zulässig? Gibt es die PPPs oder die Gerundiva, die man benutzt hat, auch wirklich wirklich?


Das waren zehn Schritte, um den eigenen lateinischen Text nach der Klausur noch einmal unter die Lupe nehmen und alle kleinen wie größeren Fehler zu entdecken. Die Texte sind in der Regel nicht lang und jede Schicht nahm bei mir in der Umsetzung bei (Probe-)Klausuren durchschnittlich 1 Minute in Anspruch. Die Übersetzung zehnmal Korrektur zu lesen, hört sich so ausgeführt nach irre viel an, heißt aber de facto nichts anderes, als sich 10 bis 15 Minuten zu nehmen, um die eigenen Arbeit zu überprüfen.

Meiner Erfahrung und Beobachtung nach sehen die deutsch-lateinischen Übersetzungsklausuren keine langen Texte vor, sodass ein ausführliches Korrekturlesen am Ende durchaus umsetzbar ist. (Wenn Sie andere Erfahrungen gemacht haben, schreiben Sie es gerne in die Kommentare; es würde mich sehr interessieren.)

Trotzdem: Wenn die Zeit knapper wird und man sich für ein paar der Schichten entscheiden muss, welche sind die wichtigsten? Wer 1) häufige Fehler, 5) Kasus, 8) Modus, 9) Tempus überspringt, spielt meiner Meinung nach mit dem Feuer. Darauf würde ich niemals verzichten!

Haben Sie besondere Techniken, um Ihre lateinischen Texte Korrektur zu lesen?

Deutsch-lateinische Übersetzungen versehe ich mit dem Hashtag convertamus. Da sammele ich Übungstexte mit kommentierten Lösungsblättern.



Jeden Sonntag erscheint ein neuer Artikel auf der Webseite. Bis der nächste herauskommt, könnten Sie auch diese interessieren:


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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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