Um einen Grund anzugeben, hat man im Lateinischen mehrere Möglichkeiten. Anders formuliert: Die Funktion der kausalen Adverbiale kann formal unterschiedlich realisiert werden – mit einer Präpositionalphrase, mit einer Nominalphrase im Ablativ, mit einem Adverb oder mit einem Nebensatz.

Heute besprechen wir verschiedene Optionen; dabei werde ich Sie auf wichtige stilistische Unterschiede hinweisen.

Mit einer Präposition

  • propter + Akkusativ
  • ob + Akkusativ
  • prae + Ablativ
  • de + Ablativ

Propter mit Akkusativ

Von diesen drei Präpositionen, mit denen ein Grund ausgedrückt werden kann, ist propter die unmarkierteste. Im eigentlichen Sinne drückt sie räumliche Nähe aus –

… in pratulo propter Platonis statuam consedimus.

Cic. Brut. 6.24.

–, im übertragenen Sinne eben auch Kausalität:

Primum quod legionem […] propter paucitatem despiciebant, tum etiam quod propter iniquitatem loci […] ne primum quidem posse impetum suum sustineri existimabant.

Caes. B.G. 3.2.

Wenn Sie mehr über paucitas wissen wollen, lesen Sie auch: Wie sagt man ARMUT auf Latein?

Je nach Kontext kann propter auch Finalität ausdrücken: propter viam sacrificium facere; propter hoc aliquid proponere z.B.

Ob mit Akkusativ

Ursprünglich bezeichnet ob eine Bewegung aus einer Herkunft her, was man noch gut in den zusammengesetzten Wörtern erkennt, in denen es als Erstglied ‚entgegen‘ oder ‚gegenüber‘ bedeutet: opponere, obicere, obiacere, obviam usw. Auch diese Präposition hat daher eine ursprünglich lokale Bedeutung, wie bei Plautus vielfach belegt, aber auch bei Cicero noch zu finden:

Ignis, qui est ob os offusus. 

Cic. Tim. 14.

Im übertragenen Sinne wird ob zur Bezeichnung eines Grundes (manchmal auch eines Zweckes) verwendet, wie z.B. in diesen zwei Belegen aus Vergils Aeneis:

Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam, fato profugus, Laviniaque venit
litora, multum ille et terris iactatus et alto
vi superum saevae memorem Iunonis ob iram.

Verg. Aen. 1.1ff.

Pallasne exurere classem
Argivom atque ipsos potuit submergere ponto,
unius ob noxam et furias Aiacis Oilei?

Verg. Aen. 1.39ff.

Lesen Sie auch Hilfen zur Originallektüre: Aeneis 1.1-33 und Hilfen zur Originallektüre: Aeneis 1.34-49.

Die Präposition ob wirkt in der Prosa archaisierend und wird aus diesem Grund von entsprechenden Autoren bevorzugt. Es braucht nicht zu wundern, dass Tacitus ein großer Liebhaber der Präposition ob ist: Diese kommt im ersten Buch der Annalen 22mal mit allen möglichen Substantiven vor! Zum Beispiel: ob metum 1.1 oder ob certamina potentium et avaritiam magistratuum 1.2. Dagegen tritt propter dort nun einmal auf, und zwar in lokaler Bedeutung (propter mensas 1.50)!

Lesen Sie auch Hilfen zur Tacituslektüre – der Stil.

In Sallust, der ebenfalls archaisierend schreibt, ist es unterschiedlich: Im Bellum Catilinae überwiegt propter, im Bellum Iugurthinum dagegen ob.

Bei Cicero kommt das kausale ob fast ausschließlich in den Wendungen mit res oder causa: quam ob rem, hanc ob rem, ob eam causam + oratio obliqua und ähnlich. Im ersten Buch De rerum natura z.B. kommt propter 6mal mit jeweils unterschiedlichen Substantiven vor; von ob gibt es da nur drei Belege, von denen zwei quam ob rem sind.

Prae mit Ablativ

Auch prae hat ursprünglich eine lokale Bedeutung, nämlich ‚vor‘. Diese Präposition wird gerne in Wortverbindungen wie prae se agere, prae se mittere, prae se ferre oder im Sinne von ‚im Vergleich zu‘ in Gegenüberstellungen wie prae nobis beatus (Cic. fam. 4.4) verwendet.

Die kausale Bedeutung ist auf negative Sätze beschränkt, in denen die mit prae angeführte Gegebenheit als hindernder Grund zu verstehen ist:

Non medius fidius prae lacrimis possum reliqua nec cogitare nec scribere.

Cic. fam. 9.12.

De mit Ablativ

Schließlich kann in Verbindung mit dem Wort causa die Präposition de den Grund anführen: hac de causa, qua de causa, certis de causis.

Vorsicht: causa und gratia nicht!

Es ist sehr verlockend und daher ein häufiger Fehler, die Postpositionen causa und gratia kausal zu verwenden. Das ist falsch! Diese Postpositionen, die beide den Genitiv regieren, haben finale, nicht kausale Bedeutung. Sie geben den Zweck, nicht den Grund an.

Beispiele:

  • ‚aus Spaß‘ (also ‚um Spaß zu haben‘, ‚zwecks des Spaßes‘): animi causa, delectationis causa, delectandi causa
  • ‚zum Beispiel‘: exempli causa, exempli gratia

Eine graue Zone zwischen Grund und Ziel stellen die Belege dar, in denen causa ‚auf Veranlassung von‘ oder ‚in Rücksicht auf‘ bedeuten wie temporis causa, tempestatis causa oder timoris causa.

Ablativus causae – allein und mit PC

Selbstverständlich kann auch der bloße Ablativ als ablativus causae eine adverbiale Bestimmung des Grundes realisieren. (Die Grenzen zwischen den verschiedenen Sinnrichtungen, etwa zwischen Grund und Mittel, sowie die einzelne, semantische Unterscheidungsmöglichkeiten sind natürlich fließend und zu einem gewissen Grad arbiträr.)

Elatus ille levitate inanique laetitia exultans et temere gestiens nonne tanto miserior quanto sibi videtur beatior?

Cic. Tusc. 5.16.

Ein Hinweis zum Stil:

Man muss sich aber klar machen, dass es zwar grammatisch korrekt, jedoch nicht sehr üblich, den bloßen Ablativ als Angabe von einem finiten Verb zu benutzen. In vielen Kontexten ist es eleganter, den Ablativus causae mit einem für uns womöglich überflüssig erscheinenden Partizip zu verbinden. Ein paar Beispiele:

  • ‚aus Angst‘: timore exterritus oder perterritus
  • ‚aus Liebe‘: amore incensus oder captus
  • ‚aus Wut‘: ira commotus oder adductus

Beispielsweise kann man selbstverständlich sagen inopiā mortuus est, doch eleganter wäre etwa inopiā excruciatus mortuus est.

Partizipialkonstruktionen mit kausaler Sinnrichtung

Apropos Ablative kann der Ablativus absolutus ebenfalls einen Grund angeben, wenn eine kausale Sinnrichtung im Kontext angenommen werden kann. Genauso funktioniert das Participium coniunctum.

Selbstverständlich ist die Sinnrichtung einer Partizipialkonstruktion sehr selten mit Sicherheit festzulegen. Wenn man auf Latein denkt und, ohne den Zwang einer Übersetzung lesen kann, gibt es meistens auch gar keinen Grund, die Sinnrichtung festzulegen. Die Sinnrichtung ist meistens nur dann sicher festzulegen, wenn im Satz ein Korrelat vorhanden ist, das Informationen zur semantischen Ausrichtung des Abl.abs. verrät, wie tamen im folgenden konzessiven Ablativus absolutus:

Ac reliquarum legionum milites non exaudito sono tubae, quod satis magna valles intercedebat, tamen ab tribunis militum legatisque, ut erat a Caesare praeceptum, retinebantur.

Caes. BG 7.47.

Ich habe verschiedene Grammatiken nachgeschlagen, um zu sehen, wie die Sinnrichtung jeweils festgelegt wurde. Meistens kann man das eben gar nicht; dort, wo Versuche gemacht werden, sind die Angaben meistens nicht die einzig mögliche Lösung. Als Beispiel für eine kausale Sinnrichtung gibt der neue Menge der folgende Beleg an:

Quibus omnibus rebus permoti equites Treveri, quorum inter Gallos virtutis opinio est singularis, qui auxilii causa a civitate missi ad Caesarem venerant, cum multitudine hostium castra [nostra] compleri, legiones premi et paene circumventas teneri, calones, equites, funditores, Numidas diversos dissipatosque in omnes partes fugere vidissent, desperatis nostris rebus domum contenderunt.

Caes. BG 2.24.

Hier ist ein Beispiel für Participium coniunctum, das kausal verstanden werden kann:

His rebus adducti et auctoritate Orgetorigis permoti constituerunt ea quae ad proficiscendum pertinerent comparare, iumentorum et carrorum quam maximum numerum coemere, sementes quam maximas facere, ut in itinere copia frumenti suppeteret, cum proximis civitatibus pacem et amicitiam confirmare.

Caes. BG 1.3.

Mit einem Adverb

Adverbiale Bestimmungen des Grundes können wie im Deutschen auch im Lateinischen durch kausale Adverbien ausgedrückt werden:

  • itaque
  • idcirco
  • ideo
  • eo

Mit einem Nebensatz

Eine mögliche Füllungsart für Satzglieder sind schließlich auch Gliedsätze. Unter den adverbialen Nebensätzen finden wird natürlich auch kausale Nebensätze, die im Lateinischen durch folgende Subjunktionen eingeführt werden können:

  • quoniam + Indikativ
  • quia + Indikativ
  • quod + Indikativ (oder Konjunktiv – s.u.)
  • cum + Konjunktiv

All diese Konjunktionen sind subordinierend und führen einen kausalen Nebensatz ein; doch das bedeutet lange nicht, dass sie gleichwertig sind. Schauen wir uns die Unterschiede an. Quoniam gibt einen Grund als objektiv und allgemein bekannt an (‚da ja‘). Auch mit quia wird der Grund als objektiv dargestellt. Das erklärt den ausschließlichen Gebrauch des Indikativs bei diesen zwei Subjunktionen! Während quia einen als objektiv dargestellten Grund angibt, drückt quod eher einen subjektiven Grund aus. Man bedenke, dass quod auch bei den verba affectuum verwendet wird (gaudeo, quod legitis ‚dass/weil ihr lest‘) und offensichtlich subjektive Darstellungen ermöglicht. Diese Subjektivität kann man beim kausalen quod außerdem dadurch unterstreichen, dass man den Konjunktiv anstatt des Indikativs verwendet:

Aut eo mors atrocior erit P. Clodi, quod is in monumentis maiorum suorum sit interfectus? – hoc enim ab istis saepe dicitur.

Cic. Mil. 7.

Als ob es eine indirekte Rede wäre, kann man bei quod den Konjunktiv verwenden, um die Subjektivität der Meinung zu unterstreichen, denn (siehe den Beispielsatz) hoc enim ab istis saepe dicitur. Dieser Moduswechsel ist bei quoniam und quia ausgeschlossen! Ausschließlich mit dem Konjunktiv steht dagegen das kausale cum.

Handelt es sich beim (semantisch gesehen) kausalen Nebensatz um einen indirekten Fragesatz, werden wie im Deutschen Interrogativpronomina u. ä. benutzt, wie cur, qua de causa, quamobrem:

Non enim video, cur non meum quoque agam negotium.

Cic. Mil. 18.

Was indirekte Fragesätze für eine syntaktische Funktion im Satz erfüllen, ist weder zum Lateinschreiben noch zum Übersetzen von Relevanz, aber für die, die jetzt wundern, sind sie in der Regel entweder Objekt- oder Attributsätze.

  • direktes Objekt: Explicat, cur dixerit.
  • Attributsätze: Causa fertur, cur dixerit.

Mit einem Hauptsatz

Nicht nur Gliedsätze, sondern auch Hauptsätze können, wenn nicht syntaktisch als adverbiale Bestimmungen, doch sehr wohl inhaltlich einen Grund angeben, wenn sie mit kausalen koordinierenden Konjunktionen verbunden werden, nämlich mit:

  • nam, das immer an erster Stelle im Satz steht, oder
  • enim, das immer nach der ersten Konstituente im Satz steht.

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Bibliographie


Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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