In Nordrhein-Westfalen besteht die Prüfungskommission des zweiten Staatsexamens aus drei Prüfern: jeweils einem Fachleiter für die beiden Fächer sowie einem Prüfungsvorsitz, der in der Regel ein (ggf. stellvertretender) Schulleiter oder ein Dezernent ist. Nach aktuellen Prüfungsordnungen ist es vorgesehen, dass ein Referendar vor dem Examen einen der beiden Fachleiter als erwünschten bekannten Prüfer nennen darf.

Die Frage beschäftigt alle: Wen nehme ich mit?

„Bei dem einen habe ich bessere Noten. Der andere ist berechenbarer. Der eine ist fachlich besser. Der andere zeigt mehr Empathie. …“

Es geht einem dabei ganz viel durch den Kopf. Nachdem die Entscheidung in meinem eigenen Referendariatsjahrgang großes Thema war, ich mit allen möglichen Kollegen darüber gesprochen habe und alle Foren nach Erfahrungsberichten und Horrorszenarien durchforstet habe, finden Sie hier alle Kriterien für eine informierte Entscheidung!

Der Wunsch muss vom Prüfungsamt nicht immer gewährleistet werden. In der aktuellen Prüfungsordnung (11/2023 ZfsL Köln) steht beispielsweise lediglich, dass mindestens zwei Prüfer nicht an der bisherigen Ausbildung beteiligt sein dürfen. Es muss daher nicht zwingend ein bekannter Prüfer anwesend sein.

Bereich 1: der Fachleiter

Bauchgefühl

Selbst wenn Sie Ihrem Bauchgefühl nicht blind trauen können oder wollen, haben Sie höchstwahrscheinlich schon eine Tendenz. Ob Sie diese schon mit Fakten und Argumenten bekräftigen können oder nicht, ist egal. Stellen Sie sich vor, wie Sie am Prüfungstag in der Schule ankommen und die Prüfungskommission begrüßen: Wen möchten Sie lieber sehen?

Hören Sie zunächst auf Ihr Bauchgefühl; für harte Argumente lesen Sie dann weiter.

Klarheit und Transparenz

An so einem wichtigen Tag kann man eins sicherlich nicht gebrauchen: böse Überraschungen. Welcher Fachleiter ist der berechenbarere Prüfer? Bei welchem wissen Sie eher, wo Sie dran sind?

Wenn Sie bei einem der Fachleiter besondere Klarheit in der Kommunikation – sei es in den Seminaren oder in den UB-Nachbesprechungen – und Transparenz hinsichtlich der Bewertungskriterien erlebt haben, ist das ein sehr gutes Zeichen.

Wer hat sich außerdem als der bessere Unterrichtsbeobachter erwiesen? Wer macht sich die besseren Notizen während der Unterrichtsbesuche? Eine Kollegin erzählt immer wieder beeindruckt von Ihrer damaligen Fachleiterin, die alles, was im Unterricht geschah, hundertprozentig protokollieren konnte: von Schülermeldungen über Arbeitsaufträge bis hin zu jeglicher Form der Unterrichtsstörung. Auf dem Gegenpol bewegen sich Fachleiter, wenn sie in Ihrem Unterricht eher einen Kaffeeklatsch als einen UB zu veranstalten scheinen. Die Frustration wird nämlich groß, wenn man über etwas kritisiert wird, das im Unterricht anders verlaufen ist, als der Fachleiter behauptet.

Hilfsbereitschaft

Ist einer der Fachleiter besonders hilfsbereit? Das erkennen Sie etwa daran, dass er sich mal zusätzliche Zeit für ein Gespräch genommen hat oder sich besonders eingesetzt hat, um eine bürokratische Frage oder eine Schwierigkeit in der Schule für Sie zu klären. Egal, ob er Sie persönlich besonders schätzt oder ob er einfach die Gabe zu Selbstlosigkeit, Initiative und Pragmatismus besitzt, spricht das auf jeden Fall für ihn.

Fachkenntnisse

Arbeitet einer der Fachleiter wissenschaftlich fundierter und genauer? Kennt er sich fachlich oder fachdidaktisch besser aus?

Ich habe schon mal Referendare gehört, die es bevorzugt habe, den Fachleiter zu nehmen, der weniger kompetent erschien, damit sie niedrigere Standards in der UPP oder im Kolloquium erfüllen müssen. Mir scheint in diesem Punkt jedoch ein kompetenterer Prüfer trotzdem die bessere Wahl. Denn irgendetwas wird sowieso immer kritisiert, dann lieber fachlich fundiert als irgendein Larifari. Auch gegenüber den anderen Mitgliedern der Kommission gäbe mir ein interner Prüfer mit Standing mehr Sicherheit.

Empathie

Vielleicht haben Sie zu einem der Fachleiter einen besonderen Draht oder einer ist viel empathischer als der andere. Mit wem verstehen Sie sich besser?

Und was brauchen Sie? Wenn der der eine besonders einfühlsam, während der andere eher distanziert wirkt, fragen Sie sich, was Ihnen an Ihrem wichtigen Tag besser tut.

Korrektheit

Sie kennen den Spruch: Als Beamter steht man schon mit einem Bein im Knast. In einem so komplexen bürokratischen Apparat ist es wahrscheinlich unmöglich, immer nach den Regeln zu spielen. Doch ist so mancher Fachleiter korrekter und penibler als ein anderer und hält sich genauer an Abläufe und Prüfungsordnungen.

Auf der anderen Seite erlebt man manchmal direkt oder indirekt Dinge, die nicht ganz in Ordnung sind. Zum Beispiel: Tratscht einer der Prüfer? Die Linie zwischen willkommenen UPP-Erfahrungsberichten, um späteren Referendaren zu helfen, und Klatsch und Tratsch über Kollegen ist manchmal dünn. Wenn Sie je das Gefühl gehabt haben, dass ein Fachleiter zu viel über vergangene Prüfungen oder dabei gar den Prüfling namentlich erwähnt hat, muss Ihnen klar sein, dass Sie auch zum Gegenstand solcher Schilderungen werden könnten. Vielleicht juckt’s Sie nicht. Vielleicht ist es Ihnen aber unangenehm. Wie auch immer, entscheiden Sie sich bewusst.

Abwesenheiten

Wenn einer Ihrer Fachleiter immer wieder krankgeschrieben oder aus sonstigen Gründen abwesend ist und Sie ihn als bekannten Prüfer mitnehmen, müssen Sie leider damit rechnen, dass er auch am Examenstag ausfallen könnte, sodass durch eine Vertretung nur externe Prüfer dabei wären. Das kann sich selbstverständlich bei allen Fachleitern ergeben, doch sind die Chancen auf „Überraschungen“ bei Dauerkranken, Schwangeren, Menschen, die sich um ihre alten Eltern kümmern, usw. gemeinerweise deutlich höher.

Fragen

Wer stellt die verständlicheren Fragen?

Die Fragen nach dem Statement sind extrem wichtig, denn sie geben Ihnen noch einmal die Chance, Ihre didaktischen Entscheidungen und Ihre Reflexionen über die gehaltene Stunde zu erläutern. Bei welchem Fachleiter verstehen Sie besser, worum es ihm geht? Welcher verunsichert Sie nicht oder zumindest weniger?

Wenn die Fachleiter ein paar Beispielsfragen fürs Kolloquium in den Seminaren mit Ihnen besprochen haben, bei welchem haben Sie verstanden, worum es in den Fragen ging?

Verhältnis

Gibt es einen Prüfer, mit dem die Verhältnisse unklar, doppeldeutig oder aber – in welcher Hinsicht auch immer – unangebracht sind? Gab es unangenehme Vorfälle? Wenn ja, sind das keine guten Voraussetzungen für den internen Prüfer.

Haben Sie den Eindruck, dass einer der Fachleiter Sie gar nicht mag? Höchstwahrscheinlich ist das nur in Ihrem Kopf; schließlich bewertet ein Fachleiter im Normalfall den Unterricht und nicht Sie als Menschen. Selbst wenn das „nur“ Ihre Wahrnehmung und nicht die Realität ist, könnte es Ihnen aber schlecht tun, am Prüfungstag jemanden dabei zu haben, der gewollt oder unbewusst solche negativen Gefühle in Ihnen hervorbringt.

Unausblendbares

In den UBs lernt man, dass man die Fachleiter und alle, die hinten sitzen, am besten völlig ignoriert, um sich voll und ganz den Schülern widmen zu können. Wenn Sie aber die Anwesenheit von Fachleitern hinten nach wie vor stört oder ablenkt, welcher der beiden bereitet Ihnen weniger Sorgen? Guckt einer zum Beispiel immer besonders böse? Quatscht einer immer wieder während der UBs? Läuft einer immer zu viel herum und hemmt dabei die Schüler beim Arbeiten?

Eine Fachleiterin, die selbst der dankbaren Sorte ist, die immer versucht, freundlich und ermutigend zu gucken, erzählte einmal von einem Kollegen, der einen ganz typischen Prüfungsgesichtsausdruck hatte. Er konnte fröhlich und freundlich sein, aber sobald er das Klassenzimmer betreten hat, ist er bis zum Ende vom UB ganz und gar ausdruckslos geworden. Stört Sie persönlich so etwas?

Vorbenotung

Bei welchem Fach haben Sie die besseren Noten?

Ganz ehrlich: Außer Sie haben zwei Noten Unterschied oder mehr zwischen den Fächern, würde ich die Wahl des bekannten Prüfers nicht daran festmachen. Das spielt bei einer Notenverteilung 1 vs. 2 in meinen Augen gar keine Rolle, da die anderen Kriterien viel bedeutsamer sind.

Bereich 2: das System

Alternative

Was ist die Alternative? Wer könnte als externer Prüfer kommen?

In meinem Fall – mit den Fächern Latein und Italienisch am ZfsL in Köln – konnte ich beispielsweise mit großen Erfolgschancen raten, wer neben dem Kommissionsvorsitz als externer Prüfer kommen würde: für Italienisch die Fachleiterin aus Leverkusen und für Latein der Fachleiter aus Bonn. Bei kleinen Fächern kann man sich also oft die verschiedenen Kommissionskonstellationen vorstellen und überlegen, bei welcher man wohl am besten fühlt.

Aber auch bei großen Fächern, bei denen zu viele Optionen offen sind, als dass man raten könnte, kann es helfen, über die Alternativen nachzudenken. Siehe den nächsten Punkt!

Gemeinsame Richtlinien

Bestehen gemeinsame Richtlinien für Fachleiter für die Bewertung von UPPs?

Wir kennen das Problem: Leistungsbewertung ist nun mal ein gutes Stück subjektiv. Außerdem bestehen – gerade in größeren Fächern wie Deutsch – oft ganz unterschiedliche Vorstellungen, was man wie in einem Unterrichtsbesuch zeigen soll. Um die Bewertung transparenter und objektiver zu machen, haben sich die Fachleiter einiger Fächer dankenswerterweise gemeinsam Gedanken über Bewertungskriterien gemacht, die in entsprechenden Richtlinien für die UPP-Beurteilung festgehalten wurden. Da dies bei beiden meiner Fächer der Fall war, wurden uns besagte Richtlinien in den Seminaren zur Verfügung gestellt.

Das hat zwei große Vorteile:

  1. Man weiß, wo man dran ist, hat eine Liste von möglichen Stundentypen, die alle Fachleiter akzeptieren, und ist über Bewertungskriterien sowie Dos and Don’ts informiert.
  2. Man kann davon ausgehen, dass auch ein externer Prüfer die Leistung nach diesen Richtlinien bewerten wird.

Wie sieht es in Ihren Fächern aus? Gibt es ein Fach, bei dem die Bewertung durch einen externen Prüfer nach anderen Kriterien als in der Ausbildung erfolgen könnte, weil die Fachdidaktik an sich kontroverser ist? Meiner Beobachtung nach passiert das z.B. öfter in Deutsch, gerade wenn es um kreativ-gestalterische Interpretationsansätze geht.

Besondere Ausbildungssituationen

Wenn sich außergewöhnliche Ausbildungssituationen ergeben, ist man froh, wenn die Prüfungskommission informiert ist. Dafür sprechen die ABBs bzw. die Schulleitung mit den Prüfern am Examenstag. Meistens verfügt jeder, der länger in der Schule gearbeitet hat, über eine gute Dosis Pragmatismus und Nächstenliebe. Wenn Sie aber in einer ungewöhnlichen Situation stecken, kann dies ein zusätzliches Kriterium für die Wahl des externen Prüfers werden, etwa wenn einer ein besonderes Verständnis dafür zeigt.

Bereich 3: die Prüfungskommission

Es lohnt sich auch, sich in die Fachleiter hineinzuversetzen. Der Erfolg des Tages hängt schließlich auch davon ab, wie die Kommission zusammenarbeitet. Wer ist der bessere Kommunikator? Wer kann sich deutlicher ausdrücken und seine Meinung zu den Stunden anhand von klaren Indikatoren auf den Punkt bringen? Wie kommt der Prüfer rüber? Wer wäre für die anderen Mitglieder der Kommission Ihrer Meinung nach der angenehmere Kollege?

Standing

Welcher Prüfer hat das bessere Standing? Welcher Prüfer wirkt auf Sie durchsetzungsstärker? Kann einer sich nicht entscheiden oder lässt sich von anderen stärker beeinflussen?

Denken Sie an die Nachbesprechungen der Unterrichtsbesuche! Wie die Kommunikation zwischen FL und ABBs sowie Ausbildungslehrern lief, kann Ihnen gute Hinweise darüber geben, wer das bessere Standing hat und ernster genommen wird.

Einsatz

Welcher Prüfer würde sich in der Kommission für Sie einsetzen? Ist es bei einem der Prüfer besonders deutlich geworden, dass er Sie hochschätzt? Dieser Prüfer hat offensichtlich Ihre Stärken gesehen und wäre womöglich bereit, ein Missgeschick am Examenstag als Performanzfehler und nicht als Kompetenzfehler einzustufen.

Kommunikationstalent

Welcher Prüfer kommuniziert deutlicher, bringt die Sachen auf den Punkt?

Transparenz

Welcher Prüfer macht deutlicher, anhand welcher Kriterien und Indikatoren er Ihre Leistung bewertet? Leistungsbewertung am Staatsexamen ist zwar nicht objektiv, sollte aber schon kriteriengeleitet und intersubjektiv nachvollziehbar sein. Alles andere stelle ich mir sehr anstrengend für die restliche Prüfungskommission vor.

Ressourcenorientierung

Eine Kollegin erzählte von einem Fachleiter, der während der UBs immer wieder defizitorientiert mit den ABBs und den Ausbildungslehrern gesprochen hat. „Ach, da fehlt doch dies und das.“ „Hätte sie doch…“ „Das geht, aber …“ Ich glaube, das war seine Art, sich klar zu machen, worin er die Referendarin fördern wollte, doch kam das bei den Anwesenden immer als reine Kritik an. Bei der vorsichtigen Frage, was die Kollegin denn nun für eine Note bekommen habe, mussten alle bei den ganzen Einsern dann gut staunen.

Ein solcher Fachleiter, der sich in seinen Beobachtungen eher defizit- als ressourcenorientiert ausdrückt, könnte auch die Mitglieder der Kommission auf die falsche Fährte locken und die gesamte Bewertung negativer ausfallen lassen. Es ist ratsam, denjenigen zu wählen, der sich wertschätzend Zeit für das Positive nimmt.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Staatsexamen und viel Freude mit Ihren Schülern! Erzählen Sie uns, wie die Prüfung lief und ob Sie mit der Wahl Ihres bekannten Prüfers zufrieden waren.


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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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