Er ist größer als sie. Ist als hier eine Präposition?“ – Diese Frage bekomme ich oft gestellt, wenn ich Syntax an der Uni unterrichte. Die kurze Antwort lautet: Nö, eine Konjunktion.

Heute gehe ich auf die lange Antwort ein und zeige Ihnen Merkmale, die als von Präpositionen eindeutig unterscheiden.

Was ist eine Präposition?

Wenn es darum geht, Wortarten zu bestimmen, folgt man drei verschiedenen Kriterien, am besten in dieser Reihenfolge:

  1. dem morphologischen,
  2. dem distributionellen und
  3. dem semantischen Kriterium.

Entsprechend dem morphologischen Kriterium kann man zwischen flektierbaren und unflektierbaren Wortarten unterscheiden. Da Präpositionen nicht gebeugt werden können, sind sie in die Gruppe der unflektierbaren Wortarten (Indeklinabilia) einzuteilen.

Wie wir im obigen Schema sehen, können Präpositionen im Gegensatz zu Adverbien das Vorfeld eines V2-Satzes nicht besetzen. Das ist eine Unterscheidung nach dem distributionellen Kriterium, sprich danach, in welcher Reihenfolge Konstituenten im Satz vorkommen.

Der sicherste Weg, eine Präposition von anderen Indeklinabilia zu unterscheiden, ist zu überprüfen, ob das infragekommende Wort Kasusrektion aufweist. Präpositionen regieren nämlich einen bestimmten Kasus. Wenn sie Nominalphrasen regieren, ziehen zum Beispiel nach immer den Dativ, für immer den Akkusativ nach sich.

Es gibt im Deutschen nicht wenige Präpositionen, die zwei Kasus regieren. Dies kann beruhen auf:

  • einer Bedeutungsunterscheidung, bei der Alternanz zwischen Akkusativ der Richtung vs. Dativ des Ortes (in die Küche gehen vs. in der Küche sein), oder
  • einem Unterschied im Register, bei der Alternanz zwischen Genitiv und Dativ (wegen des/dem Wetter(s)).

Distributiv gesehen wird mit dem Terminus Präposition (wörtlich ‚Voranstellung‘) impliziert, dass Präpositionen vor der Phrase stehen, die sie regieren. In einigen Fällen können sie aber bekanntermaßen auch nachgestellt (einem Gerücht zufolge) oder zweiteilig sein und die Phrase einklammern (um des lieben Friedens willen). Präposition kann als Hyperonym von all diesen Fällen stehen; will man sie terminologisch voneinander unterscheiden, spricht man von Postposition bzw. Zirkumposition.

Wie sieht es nun mit als aus?

Keine Rektion, sondern Kongruenz

  1. Du bist schlauer als ich.
  2. Dich mögen alle lieber als mich.
  3. Dir wurde ein schöneres Geschenk gegeben als mir.
  4. Deiner erinnern sich alle besser als meiner.

Disclaimer 1:

Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, sich sein Glück zu vermiesen.

François Lelord, Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück

Disclaimer 2:

Wem 4. komisch vorkommt: Ja, sich erinnern wird mittlerweile eher mit Präpositionalobjekt verwendet, und ja, das sind wirklich wirklich Personalpronomina im Genitiv. 😉


Anhand dieser Beispiele sehen wir, dass als nicht einen oder zwei Kasus regiert, sondern Nominalphrasen aller Kasus verbindet, die in einem Kongruenzverhältnis hinsichtlich des Kasus zu dem jeweiligen Erstglied der Komparation stehen. Genus und Numerus können dagegen unterschiedlich sein: Einen Apfel (Maskulinum Singular) esse ich lieber als zwei Birnen (Femininum Plural).

Bestimmen wir die Wortart von als entsprechend der oben genannten Vorgehensweise (s. Baumdiagramm oben):

  • Ist als flektierbar? Nein. ➝ Indeklinabile
  • Kann als alleine das Vorfeld besetzen? Nein. ➝ kein Adverb
  • Weist als Kasusforderung auf? Nein. ➝ keine Präposition
  • Wirkt als verknüpfend? Ja. ➝ Konjunktion

Allein die Tatsache, dass auch der Nominativ bei als stehen kann, spricht gegen den Präpositionsstatus, denn der Nominativ ist der Casus Rectus (‚gerader Fall‘) und wird im Gegensatz zu den anderen Kasus (Casus Obliquii ’schräge Fälle‘) nicht regiert. (Vgl. Bußmann 2008: s. v. Casus Rectus und Casus Obliquus.)

Als ist daher eine Konjunktion.

Als: eine komische Konjunktion

Wortstellung

Seitens Lerner und Studierender erlebe ich häufiger mal Skepsis, wenn ich darauf hinweise, dass als eine Konjunktion ist. Das ist der Grund, weswegen ich immer versuche, genug Zeit einzuplanen, damit die Teilnehmer die Vorgehensweise mit der obigen Tabelle ausprobieren und selber zum Ergebnis kommen.

Die Skepsis ist nämlich durchaus berechtigt, denkt man an prototypische Konjunktionen wie und oder oder. Diese können zwei Konstituenten verbinden sowie die Glieder einer Aufzählung oder gar ganze Sätze. Dabei stehen sie immer zwischen den zwei Elementen, die sie verknüpfen.

Bei als ist es anders, denn hier kann auch Distanzstellung bestehen. Vergleiche gehören sogar zu den Elementen, die gerne ins Nachfeld verschoben werden: Du hast deutlich mehr Filme gesehen als ich.

Man sollte aber bedenken, dass die Stellung von Konjunktionen nicht immer ganz festgelegt ist. Nehmen wir die adversative Konjunktion aber. Sie kann beispielsweise auch im Mittelfeld eines Relativsatzes stehen, bleibt aber trotzdem eine koordinierende Konjunktion:

  • Titanic fand sie schön, aber der Film, den sie am liebsten mochte, war Der Pate.
  • Titanic fand sie schön. Der Film, den sie aber am liebsten mochte, war Der Pate. (Geht halt auch. Deutsche Sprache, schwere Sprache…)

Das soll nur zeigen, dass die Stellung von Konjunktionen nicht immer so einseitig ist.

Koordinierend oder subordinierend?

Nun stellt sich die Frage, ob als eine koordinierende, also beiordnende, oder subordinierende, unterordnende, Konjunktion sein soll. Auch diesbezüglich ist als ein spezielles Kind, denn es kann beides sein. In den Beispielen, die wir so weit gesehen haben, war als koordinierend; genau so wie bei der Verbindung von Prädikativen ohne Komparation: Sie spielte als Kind gerne mit Tieren. An einen Komparativ können wir ja aber auch einen Nebensatz anschließen:

Die Lage ist schwieriger, als wir vermutet hätten.

In der Regel sind deutsche Konjunktionen entweder koordinierend oder subordinierend; diesbezüglich fällt als aus der Rolle.

Darüber, welche Funktion der Nebensatz als wir vermutet hätten erfüllt, was er also für ein Satzglied ist, lässt sich lange diskutieren. In manchen Grammatiken geht man von einem Untertyp der Modalsätze aus (vgl. Helbig/Buscha 2001: 604) – demnach wäre die Funktion die einer modalen Adverbiale. In der Duden-Grammatik (20098: 1040f.) ist gar die Rede von Relativsätzen ohne Relativpronomina. Entsprechend der Tradition der generativen Grammatik würde man gar keine Satzglieder bestimmen, sondern feststellen, dass es sich um fakultative Angaben handeln, und von Vergleichsadjunkten sprechen. Ich persönlich favorisiere die erstgenannte Option, sprich: Wenn jemand im Unterricht fragt und ich keine Zeit habe, diese ganzen Geschichten zu erzählen, sage ich nur „adverbiale Bestimmung der Art und Weise“. Bum. Probleme kann man dann immer finden.

(Natürlich gibt es auch das homonyme temporale alsAls ich klein war … –, das eindeutig eine Subjunktion ist. Um dieses temporale als geht es hier nicht.)

Um diesen Anomalien von als gegenüber anderen Konjunktionen gerecht zu werden, wird in manchen Grammatiken eine eigene Wortart für prädikatives als und wie aufgemacht: die des Adjunktors (vgl. Hoffmann 2013: 53) oder Komparativ-Junktors (vgl. Weinrich 1993: 785). Ich kann die Gründe dieser Aufteilung sehr gut nachvollziehen, bin aber persönlich kein großer Fan von „neuen“ Kategorien, denn das Modell der Wortarten und Satzglieder, mit dem wir arbeiten, kann sowieso nie hundertprozentig passen. Zum einen muss man hier und da Elemente zusammenwerfen, die doch einige – auch gravierende – Unterschiede aufweisen, v. a. wenn man nach dem semantischen Kriterium arbeitet. Zum anderen bleibt immer zu bedenken, dass die klassischen Grammatiktermini ursprünglich für die lateinische Sprache entwickelt wurden und sich nicht immer perfekt auf das Deutsche übertragen lassen.
Wer jedoch bei als die evidenten Unterschiede zu anderen Konjunktionen markieren will, kann dies mit Adjunktor auch systemisch-termonologisch machen. Ich persönlich versuche, es zu vermeiden, möchte Ihnen aber die Möglichkeit nicht verschweigen.

Relativsätze und Sprachvergleich

Im Hinblick auf die Frage „Präposition oder Konjunktion?“ können wir einen letzten Test mit Relativsätzen anwenden.

Wenn in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen dasselbe Elemente als Satzglied vorkommt, kann man die zwei Sätze relativisch anschließen (1.). Bekanntermaßen geht dies auch bei Präpositionalphrasen, in die Relativpronomina eingeschlossen werden (2.).

  1. Das ist eine Geschichte. Ich habe die Geschichte gerne gehört. > Das ist eine Geschichte, die ich gerne gehört habe.
  2. Das ist eine Geschichte. Ich habe von der Geschichte gerne erzählt. > Das ist eine Geschichte, von der ich gerne erzählt habe.

Eine ähnliche Konstruktion ist mit der Konjunktion als, gerade weil sie keine Präposition ist, ausgeschlossen:

  1. Das ist eine Geschichte. Es gibt keine schönere als diese Geschichte. > Das ist eine Geschichte, als die es keine schönere gibt.

Im Lateinischen können solche Vergleichselemente entweder wie mit der Konjunktion quam + kasuskongruentem Zweitglied oder mit dem bloßen Ablativus comparationis ausgedrückt werden. Der bloße Ablativ kann relativisch anschlossen werden, während mit der Konjunktion quam wie beim deutschen als kein Relativsatz gebildet werden kann:

3. Ecce fabula. Nihil pulchrius est quam fabula / fabulā. > Ecce fabula, quā nihil pulchrius est.

Auch von der Distribution in Relativsätzen und im Sprachvergleich scheint also klar, dass als keine Präposition sein kann.


Da ich aus Erfahrung weiß, dass sich einige diese Frage stellen, wollte ich einmal meine Gedanken und mein Wissen dazu teilen.

Ich weiß auch noch genau, dass eine Teilnehmerin des Syntaxkurses, den ich immer wieder im Rahmen eines Weiterbildungsstudiums halte, einmal mit einem Büchlein zu mir kam, in dem tatsächlich stand, als sei eine Präposition, und um Aufklärung bat. Wahrscheinlich als automatischen Schutzmechanismus hat mein Hirn alle Informationen zu Titel und Autor besagten Hefts endgültig verdrängt, sodass mein ohnehin leicht beeindruckbares Gemüt nicht überstrapaziert wird. Eins sei aber gesagt: Glauben Sie nicht immer alles, was Sie lesen. Auch nicht in Grammatiken.

Haben Sie Fragen bezüglich der deutschen Grammatik und der deutschen Sprachwissenschaft? Lassen Sie sie mir gerne zukommen. Ich helfe Ihnen gerne weiter.




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Bibliographie

  • Bußmann, Hadumod (20084): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.
  • Duden (20098): Die Grammatik. Mannheim/Wien/Zürich: Dudenverlag.
  • Helbig, Gerhard / Buscha, Joachim (2001): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin/München/Wien/Zürich/New York: Langenscheidt.
  • Hoffmann, Ludger (2013): Deutsche Grammatik. Grundlagen für Lehrerausbildung, Schule, Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache. Berlin: Erich Schmidt.
  • Pittner, Karin / Bergmann, Judith (20083): Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: narr.
  • Weinrich, Harald (1993): Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag.

Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

10 Kommentare

Gudrun · 15. Februar 2024 um 10:44

Ich unterrichten im Rahmen des Deutschunterrichts gerade Attribute und bastle für die Schüler zur Übung Sätze, die auch mit den Textthemen des Deutschbuchs zusammenpassen. Dabei bin ich über den Satz gestolpert: 2024 wird es in Paris Breakdance als zusätzliche olympische Sportart geben. Würden sie hier a) „als zusätzliche Sportart“ als Attribut sehen und b) als ggf. welche Attributart kategorisieren?

    Silvia Ulivi · 18. Februar 2024 um 16:27

    Liebe Gudrun,
    vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Frage.
    „Als zusätzliche Sportart“ ist eine Apposition (kasuskongruent).
    Herzliche Grüße

Louis Derfert · 12. Oktober 2023 um 14:43

Vielen Dank für diesen ausführlichen Text! Ich habe dadurch diese tolle Website gefunden und mir gleich ein Lesezeichen gesetzt. Als „Hobby-Germanist“ umtrieb mich folgender Satz, bei dem ich ursprünglich recherchieren wollte, ob das Wort >alsanGEschlossen< heißen)

LG

    Silvia Ulivi · 13. Oktober 2023 um 9:39

    Lieber Herr Derfert,
    vielen Dank für Ihren sehr freundlichen Kommentar! Wollten Sie den Satz mit mir teilen? Wenn ja, geben Sie ihn gerne komplett an.
    Herzliche Grüße

      Louis Derfert · 13. Oktober 2023 um 11:55

      Huch, da fehlt ja die Hälfte. Das muss irgendwie beim Abschicken passiert sein. Ich wollte schreiben:

      Als „Hobby-Germanist“ umtrieb mich folgender Satz, bei dem ich ursprünglich recherchieren wollte, ob das Wort >alsanGEschlossen< heißen?)

        Louis Derfert · 13. Oktober 2023 um 11:56

        Oh nein, jetzt ist es schon wieder passiert. Irgendwie werden meine Nachrichten immer abgeschnitten und ich kann sie selber nicht bearbeiten oder löschen

          Louis Derfert · 13. Oktober 2023 um 11:57

          Sorry für den kleinen Spamfluss. Ich versuche es einmal per E-Mail

          Silvia Ulivi · 20. Oktober 2023 um 9:03

          Super, vielen Dank!

Eva · 8. Juli 2022 um 21:11

danke für diesen aufschlussreichen Artikel.
Ich hätte schon fast begonnen, an mir zu zweifeln, weil in einem Lehrwerk für A1 „als“ als modale Präposition eingeführt wird…

    Silvia Ulivi · 9. Juli 2022 um 19:35

    Vielen Dank für den Kommentar! Es freut mich, dass ich weiterhelfen konnte.

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