Englisch – die globale Lingua Franca – wird oft als einfach zu lernen beschrieben, doch hinter ihrer scheinbaren Schlichtheit verbergen sich eine komplexe Grammatik und ein reiches Vokabular. Und das öffnet die Tür für manch überraschenden Fakt.

Wussten Sie zum Beispiel, dass es im Englischen den Konjunktiv gibt? Gehen wir auf eine faszinierende Entdeckungsreise, um spannende Eigenheiten der englischen Sprache zu verstehen.

So be it!

Der Konjunktiv ist in vielen Sprachen ein harter Brocken. Im Italienischen, im Spanischen und im Französischen muss man nach Indikativ und Imperativ viele weitere Verbformen lernen, die eigenartig verwendet werden. Im Deutschen befindet sich das Sprachsystem im Umgang mit dem Konjunktiv im Wandel, was synchron zu Zweifelsfällen und Unsicherheiten führt. Es weiß kein Schwein mehr so richtig, ob und wann man den Konjunktiv verwenden soll.

Lesen Sie auch: Man lerne den Konjunktiv. Er sei wichtig.

Wenn man Englisch lernt, ist man doch ein bisschen dankbar, dass es keinen Konjunktiv hat, oder?

Doch das Englische hat sehr wohl einen Konjunktiv. Zumindest Reste.

Man könnte denken, dass der Konjunktiv im Englischen ausgestorben sei, aber er ist tatsächlich noch vorhanden, wenn auch in einer stark reduzierten Form. Besonders in formellen oder literarischen Kontexten zeigt er sich noch, und zwar in folgenden Fällen.

  • Hypothetische Aussagen
    if I were you
  • Wünsche oder Forderungen:
    It is important that he be on time.
    God save the Queen.

Der Modus Konjunktiv ist im Englischen nur sehr eingeschränkt vorhanden und wird sich auf Dauer nur in wenigen Wendungen als Relikt halten. Das kann man nicht ändern. So be it!

Man ihrzt sich

Das Englische hat keine morphologische Unterscheidung zwischen formeller und informeller Anrede, wie sie das Deutsche mit dem Duzen und dem Siezen kennt. Historisch war dies jedoch anders: Im Mittelenglischen verwendete man für informelle Anrede die zweite Person Singular thou (etymologisch mit du verwandt) und die formelle die zweite Person Plural you (also ihr). Doch im Laufe der Zeit setzte sich you als allgemeine Anrede durch, da das Ihrzen als Ausdruck gesellschaftlicher Höflichkeit inflationär eingesetzt wurde. Das heißt, dass man sich heute auf Englisch nur noch ihrzt, da eine einzige Form übrig bleibt.

Siehe etwa die ersten beiden Verse des berühmten Sonetts 18 von Shakespeare, in dem man den Nominativ thou und den Akkusativ thee auf einmal liest:

Shall I compare thee to a summer’s day?
Thou art more lovely and more temperate.

Shakespeare, Sonett 18.

Interessanterweise wird dieses Konzept auch im Deutschen zunehmend adaptiert. Die Höflichkeitsform Sie verliert – auch durch die informelle Online-Kommunikation – an Bedeutung, während das sog. freundliche Du auf dem Vormarsch ist. Das zeigt doch, wie paradox sprachliche Entwicklungen sein können. Um freundlicher zu wirken, hat man im Englischen überall die höflichere Form verwendet, während sich im Deutschen das Du in allen Bereichen schnell durchsetzt.

Wird durch das Duzen wirklich eine Nähe hergestellt? Wird die tatsächliche Distanz nicht durch andere sprachliche Mittel gewahrt bleiben? Im Englischen gibt es durchaus subtile Signale, die Nähe oder Distanz markieren: Wortwahl, Tonfall und indirekte Höflichkeitsstrukturen. Diese Signale sind jedoch weitaus komplexer und weniger klar markiert als eine einfache morphologische Unterscheidung zwischen Duzen und Siezen.

Die Frage bleibt: Fördert das Duzen wirklich eine engere Verbindung oder verschleiert es die tatsächliche Beziehungsebene, indem es Distanz anders ausdrücken muss?

Trennbare Verben

Im Deutschen sind Partikelverben entweder trennbar oder untrennbar. Manche Partikeln sind immer trennbar, wie auf- oder aus-, während andere immer untrennbar sind, wie ver- oder zer-. Vergleiche:

  • Der Schalter fährt die Brücke aus.
  • Der Mann verfährt sich.

Oder auch:

  • Die Brücke wird ausgefahren. bzw. um sie auszufahren
  • Der Mann hat sich verfahren. bzw. um sich nicht zu verfahren

Manche Partikeln können mit Bedeutungsunterscheidung sowohl trennbar als auch untrennbar sein:

  • Das Auto umfährt mich. Phew!
  • Das Auto fährt mich um. Autsch!

Etwas Ähnliches geschieht auch im Englischen mit den sog. phrasal verbs, obwohl die Regeln nicht so strikt wie im Deutschen sind. Phrasal verbs sind eine Kombination aus Verb und einer Partikel, oft einem Präpositionaladverb, wie bei to look up oder to get along. Bei intransitiven Verben bleiben die Teile vom phrasal verbs in Kontaktstellung zusammen, ohne dass andere Satzglieder dazwischen treten könnten:

  • I get along well with my sister.

Bei transitiven Verben kann die Partikel in Distanzstellung zum Verb vorkommen:

  • Think your decision over.
  • Think over your decision.

Anders als im Deutschen ist die Distanzstellung nicht für mehr als ein Satzglied möglich und auch zunehmend inakzeptabel bis inkorrekt, wenn das direkte Objekt syntaktisch komplex wird:

  • He turned off the lights / the lights off.
  • ?He turned the lights that he had forgotten about off.

Sprachsysteme sind mehr als ein Regelwerk. Sie sind ein kognitives Instrument, das sich mit den Menschen, die sie verwenden, wandelt. Englisch mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, doch je tiefer man eintaucht, desto klarer wird: Hinter der Oberfläche verbirgt sich eine komplexe Struktur voller subtiler Regeln und Bedeutungen. Ob der schwindende Konjunktiv, die Höflichkeitsanrede oder die Vielseitigkeit von phrasal verbs – diese Phänomene erzählen Geschichten über den Wandel von Sprache und Gesellschaft.

Wer sich mit Sprachen auseinandersetzt, entdeckt auch immer ein Stück Menschheit. Jede sprachliche Besonderheit, jeder grammatische Kniff ist ein Fenster in die Art und Weise, wie wir die Welt erleben und miteinander kommunizieren. Was wird Ihre nächste sprachliche Entdeckung sein?

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Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

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