Mittwoch, den 25. Mai 2022

Hospitationen

Es war so weit eine interessante Woche.

Den Langtag im italienischen Fachseminar haben wir nun auch geschafft. Es tut gut, ein paar von diesen langen, tendenziell anstrengenden Terminen abzuhaken. Lustig war, dass die Hospitation am Gymnasium von meinem Mann (Abi 2000) stattfand. Dass wir das mal teilen würden, hätten wir niemals gedacht.

Ich durfte außerdem in unserer Schule in mündlichen Prüfungen der Sek I und in mündlichen Abi-Prüfungen hospitieren, was sehr interessant war, weil die Atmosphäre auch unter den Kollegen doch jeweils eine ganz andere war. Natürlich achtet man bei allen Prüfungen auf Fairness und korrekte Durchführung, aber die Abi-Prüfungen sind eine ganz andere Nummer, auch für die Lehrer. Die Formalitäten häufen sich, die Protokolle sind beinahe ein Ding der Unmöglichkeit und man fiebert bei den eigenen Schülern heftig mit.

Was ich für die Zukunft mitnehme, ist die entscheidende Bedeutung des Statements seitens des Prüfers. Das darf man nicht unterschätzen. In der Prüfungskommission sitzt man nämlich zu dritt: ein Vorsitzender, der insbesondere auf Formalia achtet und mitbewertet, falls sich die anderen zwei nicht einig werden, ein Prüfer und ein Protokollant. Es scheint mir ganz zentral, dass man sich als Prüfer, der als Erster eine Note vorschlägt, ganz genaue Notizen während der Prüfung macht, um die Bewertung und die Kriterien dahinter anhand von Fakten belegen zu können.

In allen Prüfungen, die ich beobachtet habe, schien mir die Bewertung, die am Ende herauskam, sehr fair und nachvollziehbar. Das hat mich gefreut. Noch mehr als auf die Fairness – denn etwas Gegenteiliges hatte ich nicht erwartet – war ich darauf gespannt zu sehen, ob die tatsächlich vergebene Note der entsprach, die ich vergeben hätte. Ich war immer, wenn nicht spot on, doch sehr nah dran. Beruhigend.

Organisation

Die Klausurnachschreibetermine, von denen ich letzte Woche schrieb, haben ein ganz schönes Chaos in meinen Kalender hineingebracht und es musste Einiges umdisponiert werden. Ich habe mir jedoch sagen lassen, dass „es an der Schule immer etwas gibt“, soll heißen, man müsse immer auf Zwischenfälle und kurzfristige Änderungen gefasst sein, was in dem Moment zwar aufregend ist, aber man schafft es wohl meistens, alles mit offener Kommunikation und einer guten Dosis Pragmatismus zu klären.

Montag, den 30. Mai 2022

Ich habe den besten Beruf der Welt! 🥳

An der Schule zu unterrichten, macht mir noch mehr Spaß als an der Uni. Der Nachteil ist, dass man deutlich weniger Inhalte „schafft“, aber darum geht es ja bei den outputorientierten Lehrplänen sowieso nicht. 😉 Wichtig ist, was die Schüler am Ende können, und sie dahin zu begleiten, bereitet mir einfach Freude. Mehr als in der Erwachsenenbildung kommt man mit jungen Leuten auch tatsächlich in Kontakt, und zwar über die eigenen Fächer, was für meine introvertierte und sachlich orientierte Persönlichkeit der einfachste und angenehmste Zugang zu meinen Mitmenschen bleibt.

Ich habe heute der Kernseminarleitung und einem der ABBs eine Lateinstunde gezeigt, die als Grundlage für das Eingang- und Perspektivgespräch gedient hat. Die beiden Betreuer haben mir in der Besprechung wirklich so zugehört, dass ich mich auch verstanden gefühlt habe, und mir wichtige Rückmeldungen gegeben, die ich langfristig mitnehme. Hierzu muss ich mich morgen in der langen Pause zwischen den Fachseminaren mal an den Reflexionsbogen setzen, bevor ich die Gesprächsnotizen nicht mehr hundertprozentig nachvollziehen kann.

Das Allermeiste war extrem positiv und hat mir einen festen Rückhalt gegeben. Ich fand insbesondere Rückmeldungen zum wertschätzenden Umgang mit den Schülern ganz zentral, weil dies etwas ist, woran ich lange gearbeitet habe. Denn ich bin zwar nicht unempathisch, neige aber von Natur aus dazu, sachliche Korrektheit mehr als Gefühle zu schätzen, und werde dadurch manchmal als Panzer wahrgenommen. Den Umgang mit den Kursteilnehmern bzw. jetzt Schülern habe ich daher über lange Zeit gezielt zu justieren versucht, was offensichtlich reiche Früchte getragen hat: Als meine Art, mit Fehlern und Schülermeldungen umzugehen, sehr gelobt wurde, habe ich mich nicht nur riesig gefreut, sondern auch in meinen ständigen Verbesserungsbemühungen bestätigt gefühlt.

Und bei Sätzen wie „Man bekommt bei Ihnen richtig Lust auf Latein!“, „Ihre Begeisterung zieht mit.“ und „Ach, wäre mein Lateinlehrer so wie Sie gewesen!“ kann einem doch nur das Herz aufgehen.

Ebenfalls hilfreich waren die Verbesserungsvorschläge. Ich weiß auf jeden Fall auch, worin ich mich noch verbessern möchte. Alle Ausbilder, die mich jemals im Unterricht erlebt haben, haben mir nämlich alle die gleichen Denkanstöße gegeben. Da muss wohl was dran sein!

  • Mehr an die Schüler abgeben und, wo sinnvoll, weniger lenken.
  • An den Sicherungsvisualisierungen arbeiten, um möglichst keine Schüler zu „verlieren“.
  • Immer wieder mal weniger als 120% geben – um die 80% sei wohl ein guter Richtungswert.

Sonntag, den 5. Juni 2022

Wegen Klassenfahrten war es diese Woche in der Schule etwas weniger voll und ich muss zugeben, dass es ein Segen war. Die langen Tage am ZfsL sind nämlich an und für ein ganz schöner Schlag und die Unterrichtsbesuche rücken leider Gottes sichtlich näher. Wenn ich nächste Woche überlebe – meine Chancen stehen allerdings nicht so gut –, dann ist das Schuljahr beinahe überstanden.

Diese Woche habe ich wieder Latein unterrichtet. Es ist wirklich toll, sich beruflich mit der Antike und wundervollen Texten beschäftigen zu dürfen – eine nicht zu unterschätzende Ehre. Als wir die Aufopferung der Greise im Rahmen der Gallierkatastrophe von 387 v. Chr. bei Livius 5.39 weitergelesen und interpretiert haben, kamen ganz schöne Perlen von den Schülern. Wir hatten anhand von Sachfeldern die drei Bereiche des öffentlichen Lebens – Militär, Verwaltung, Religion –, die man um des Erhalts der Stadt willen retten wollte, erarbeitet und bis zu facilem iacturam esse seniorum übersetzt: Wenn sich dafür die Urbs retten sollte, dann falle die Aufopferung der Greise leicht, die (utique periturae turbae) ohnehin bald sterben würden! Hui, sind die Schüler abgegangen! Die eine hat das mit der Coronakrise verglichen, in der wir doch zunächst gerade die Alten versucht hätten zu schützen. Der andere war empört: Ältere Menschen müsse man doch ehren, gerade in Rom! Da erhebt sich noch eine Stimme: Genau, wo bleibe die pietas?! 😁 Dankeschön! Gelenkstelle auf einer Silberplatte serviert, denn pietas ist das Leitmotiv des gesamten 5. Buchs und um die geht es natürlich auch ganz zentral bei der Aufopferung der Greise, was bei der weiteren Lektüre auch schnell klar wurde. Klasse, das macht Spaß! Da zeigt sich doch, dass die Auseinandersetzung mit antiken Texten für die Lebensgestaltung junger Menschen von zentraler Bedeutung ist: Ich liebe dieses Fach! Nur die Originallektüre und das Übersetzen gehen leider mühsam voran, aber das ist m. E. ein systemisches Problem und kein Manko der Schüler oder der Lehrer. Ich konnte auch erst mühelos lesen, nachdem ich aktiv Latein gelernt habe; dass man Sprachen nur rezeptiv lernen könne, ist einfach Kokolores.

Was mein Wohlbefinden angeht, merke ich schon, dass ich diese Woche weniger Sport getrieben habe. Die Folge: Aufregung in Form von pochenden Augenliedern und Bewegungsdrang sowie wundervolle Schlafstörungen.

Gestern Nachmittag war ich bei der UB-Vorbereitung irgendwann so müde und unkonzentriert, dass ich mich jede 10 Minuten unterbrochen habe. Ich konnte ab 15 Uhr nicht mehr arbeiten, obwohl das für mich als Nachteule meistens die Zeit ist, wo ich anfange, richtig produktiv zu werden. Ich merke, dass man sich im Optimalfall so organisieren sollte, dass man einen Tag die Woche ganz frei hat, sehe nur noch nicht richtig, wie das gehen soll. Ich bin extrem dankbar um mein Kind, das meine Aufmerksamkeit immer wieder auf andere Dinge lenkt: Ohne sie würde ich wahrscheinlich Tag und Nacht nichts anderes tun, als für die Schule zu arbeiten. Selbst wenn man gerade nicht arbeitet, kann es nicht gesund sein, wenn sich die Gedanken immer nur um die Schule drehen.

Jeden Sonntag erscheint ein neuer Artikel auf der Webseite. Bis der nächste herauskommt, könnten Sie auch diese interessieren:




Abonnieren Sie meinen Newsletter!


Silvia Ulivi

Humanistin mit einem unstillbaren Faible für Sprachsysteme, Literatur und Unterricht

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Avatar placeholder

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert